Auswahlkriterien für MLCCs - Bauteile-Auswahl nicht blindlings Tools überlassen

10.06.2021 Know-How

Miniaturisierung ist bei Mehrschicht-Keramikchipkondensatoren schon lange ◊en vogue“. Das Downsizing ist jedoch nicht trivial, denn es gilt, viele Randbedingungen zu berücksichtigen. Digitale Tools können helfen, doch dabei geraten entscheidende technische Überlegungen häufig aus dem Blickfeld.

Mehrschicht-Keramikchipkondensatoren (Multi-Layer Ceramic Chip Capacitors, MLCCs) sind klein und unterstützen deshalb die Miniaturisierung. Doch dabei muss man Aspekte wie ESD-Schutz, EMV-Störungen und Thermomanagement berücksichtigen, außerdem die typischen Charakteristiken und die damit verbundenen Driften. Um die Bauteile-Auswahl zu erleichtern, kommen immer häufiger digitale Tools zum Einsatz. Trotzdem muss der Entwickler alle genannten Aspekte im Auge behalten, um schnell zum Ziel zu gelangen und unnötige Designschleifen zu ermeiden.

Zuallererst empfiehlt es sich, beim Downsizing nicht einfach auf bestehende Wertekombinationen der MLCCs - insbesondere von Kapazität (C-Wert) und Spannung - zurückzugreifen, sondern sich an den tatsächlichen Erfordernissen der Applikation und sogar an der Funktion der einzelnen Bauteile zu orientieren. Idealerweise werden dabei auch die Vorzugs-Versionen der Hersteller berücksichtigt. Neben C-Wert und Spannung zählen die Impedanz bzw. ESR (Equivalent Series Resistance) zu den wichtigen Parametern.

Vor allem bei den sogenannten HiCaps, also MLCCs mit C-Werten im µF-Bereich, ist zudem der DC-Bias zu berücksichtigen. DC-Bias ist ein Effekt, der die Kapazität abhängig von der angelegten Gleichspannung absinken lässt. Dieser reicht je nach Bauteil bis herunter auf nur noch ca. 20 % des Ausgangswertes bei Nennspannung. Es ist also zwingend zu beachten, welcher C-Wert im Betrieb nicht unterschritten werden darf.

Bild 1 zeigt einige beispielhafte DC-Bias-Verläufe. Sie machen deutlich, dass die DC-Bias-Rate bei kleineren Bauteilen deutlich höher ist.

Weiterer Einflussfaktor auf den DC-Bias ist die Betriebstemperatur, wie die Grafik in Bild 2 zeigt. Hier wird außerdem ersichtlich, dass die verbleibende Kapazität über DC-Bias und Temperatur bei kleineren Bauformen mit höherem Nominalwert deutlich über der von größeren Bauformen mit kleinerem Nominalwert liegt.

Bei der Staffelung der nominalen C-Werte sollten sich Entwickler auf die Grundorientierung stützen (Tabellen 1 bis 3). Das heißt, sie sollten möglichst nur die "Preferred"-Werte mit den Standard-Toleranzen verwenden. Auf die sogenannten Keramikarten Z5U und Y5V sollte sogar ganz verzichtet werden, da diese mehr und mehr abgekündigt werden bzw. schon abgekündigt sind.

Neben dem Thema DC-Bias sind bei den Klasse-2-Keramikkondensatoren (z.B. X7R, X5R) auch die Temperaturdriften und die Alterung zu berücksichtigen.

Die Temperaturdriften lassen sich relativ einfach aus der Tabelle (Bild 3) ablesen. Ein X5R-MLCC hat also im Temperaturbereich zwischen -55 °C und +85 °C eine zulässige Temperaturdrift von ±15 %.

Auch MLCCs altern

Die Alterung (Aging) bewirkt, dass die MLCCs mit der Zeit an Kapazität verlieren. Der Verlust liegt bei ca. 1 % bis zu ca. 6 % pro Zeitdekade, also jeweils nach einer Stunde, nach zehn Stunden, nach 100 Stunden usw. Dabei gilt: Je höher die C-Werte und je dünner die internen Lagen eines MLCC, desto stärker ist das Aging ausgeprägt. Im Vergleich zu den Effekten DC-Bias und Temperaturdrift ist das Aging während des Betriebes jedoch fast vernachlässigbar, beim Messen von C-Werten zur Prüfung der Toleranzeinhaltung kann es jedoch durchaus eine entscheidende Rolle spielen.

Anders als bei Lebewesen ist die Alterung von MLCCs jedoch ein reversibler Prozess. Durch entsprechende Temperaturbehandlung lässt sich der Effekt rückgängig machen. Hierfür setzt man die Bauteile üblicherweise für eine Stunde +150 °C aus und lässt sie dann 24 Stunden ruhen. Auch das Löten führt zu diesem sogenannten Deaging.

Betrachtet man nun die verschiedenen Driften des C-Wertes in Summe, wird sehr deutlich: Es ist nicht sinnvoll, die Klasse-2-Kondensatoren in einer eingeengten Nominal-Toleranz von ±5 % anstatt in der Standard-Toleranz von ±10 % einzusetzen - auch wenn das nach wie vor von einigen Herstellern zugestanden, sprich: angeboten und geliefert, wird. Dadurch entstehen nicht zielführende Diskussionen über die Einhaltung der Toleranz. Insbesondere werden beim Messen häufig die erforderlichen Messgeräte und -bedingungen unzureichend eingehalten, z.B. indem die Messspannung, die meist mit 1,0 V als Effektivwert definiert ist, während der Messung einbricht. Das führt dann zur Anzeige eines zu niedrigen Kapazitätswertes.

Spannungsanforderungen besser übererfüllen

Die Angabe der Spannung erfolgt prinzipiell als Gleichspannung - auch wenn sie nicht explizit so gekennzeichnet ist. Handelt es sich um Wechselspannung, findet sich ein entsprechender Hinweis, z.B. ◊250 V ac". Zusätzliche Details und Hinweise, etwa im Zusammenhang mit Ripple-Strom, Peak to Peak usw., beschreiben die Hersteller üblicherweise in den ausführlichen Datenblättern oder Spezifikations- bzw. Applikationshinweisen. Dabei ist aber auch zu beachten, dass MLCCs bei gleichem C-Wert, aber höherer Spannungsfestigkeit (unabhängig von Zuverlässigkeits- oder Fehlerratenbetrachtungen) tendenziell auch dickere Innenschichten aufweisen. Damit zeigen sie einen weniger ausgeprägten DC-Bias.

Andererseits spezifizieren einige Hersteller Kondensatoren, die heute schon in einer Nennspannung z.B. von 50 V möglich sind, weiterhin auch mit kleineren Spannungsangaben.

Bei beiden Konstellationen gilt letztlich: Es ist unkritisch, die Spannungsanforderungen zu übertreffen, also z.B. bei geforderten 16 V einen mit 25 V oder 50 V spezifizierten Kondensator einzusetzen.

Neben den betrachteten Grundparametern spielen bei der Auswahl der Bauteile einige weitere Aspekte eine Rolle. Dazu gehören je nach Applikation und Einsatzgebiet beispielsweise geforderte Qualitäts-Level oder Merkmale, z.B. Automotive Grade (üblicherweise AEC-Q200-qualifiziert) oder Merkmale wie Soft Termination (auch Flexiterm, Flexcrack Resistant, Resin External Electrode, Polymer Termination o.ä. genannt), die die Bildung von Rissen verhindert, wie sie v.a. beim Biegen von Leiterplatten entstehen können (Bild 5).

Motivation für Miniaturisierung

Die Miniaturisierung hat noch andere Implikationen, bedingt durch die Motivation, die dahintersteht. War sie bis vor Kurzem dadurch getrieben, dass moderne Elektronik immer mehr Performance forderte und dafür immer weniger Platz auf der Platine zur Verfügung stand, stehen heute eher Verfügbarkeits- und Wirtschaftlichkeitsaspekte (Bild 6) im Vordergrund, vor allem seitens der Hersteller. Für Entwickler bedeutet das, dass sie sich verstärkt dem Schritttempo der Hersteller anpassen und genügend Raum für Alternativen lassen müssen, um flexibel und wirtschaftlich zu bleiben - Stichwort Second Source. Dies gilt ganz besonders in schwierigen Marktsituationen, wie sie immer wieder, auch kurzfristig, auftreten können.

 

Komponenten gibt es auf www.rutronik24.de.

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