Bluetooth LE Audio – Mehr auf die Ohren

07.06.2023 Know-How

Bluetooth LE Audio (Low Energy Audio) hat das Potenzial, unser Audioerlebnis grundlegend zu verändern, sei es durch die „stille Disco“ oder besseres Hören mit Hörhilfe. Aufgrund der Weiterentwicklung sind vielfältige neuartige Anwendungsfälle sowie Produkte inklusive neuer Märkte in der Audio-Welt zu erwarten.

Die Bluetooth-Technologie wird schon seit den 1990er-Jahren entwickelt und nutzt zur Datenübertragung über 79 Kanäle im nicht lizenzierten 2,4-GHz-Frequenzband. Die heute „Bluetooth Classic“ genannte Variante unterstützt zur Audioübertragung ausschließlich die Punkt-zu-Punkt-Kommunikation.

Eine entscheidende Weiterentwicklung ist Bluetooth Low Energy (LE). Es hat Bluetooth Classic bei den meisten Anwendungen bereits abgelöst. Das kabellose Audiostreaming, z. B. für kabellose Kopfhörer, Lautsprecher oder Entertainmentsysteme im Auto ist heute die letzte Bastion von Bluetooth Classic.

Bluetooth LE nutzt ebenfalls das 2,4-GHz-Frequenzband, ist jedoch – wie der Name schon sagt – auf einen sehr energiesparenden Betrieb ausgelegt. Zudem ermöglicht es neben der Punkt-zu-Punkt-Kommunikation auch die Topologien Broadcast und Mesh und legt so die Basis für groß angelegte und schnelle Gerätenetzwerke. Darüber hinaus lässt es sich für die Geräteortung verwenden und ist damit eine gute Ergänzung zu GPS in Innenräumen.

Fokus auf Audio

Auch der Fokus des jüngsten Standards ist eindeutig: Er heißt Bluetooth Audio. Die erste Version basiert auf Bluetooth Classic. Ihr Funktionsumfang ist jedoch begrenzt und somit auch die Einsatzmöglichkeiten. Die zweite Version, das neue Bluetooth LE Audio, erlaubt hingegen eine flexiblere Verarbeitung der Audiosignale. Das bedeutet einen Evolutionsschritt für bestehende Anwendungen wie Kopfhörer sowie Hörgeräte und kreiert neue Anwendungen und Märkte für das Audiostreaming.

LE Audio basiert auf Bluetooth LE und dem vom Fraunhofer Institut entwickelten, stromsparenden Low Complexity Communications Codec (LC3). Dieser kombiniert eine höhere Audioqualität als Classic Audio mit niedrigen Datenraten. Das gibt Entwicklern eine enorme Flexibilität. Zudem lassen sich verschiedene Produkteigenschaften besser aufeinander abstimmen, z. B. können Energieeinsparungen genutzt werden, um entweder die Akkulaufzeit zu verlängern oder um kleinere Akkus zu verwenden.

Dabei bietet LE Audio interessante Funktionen: Bei Multi-Stream-Audio lassen sich mehrere unabhängige Audioströme synchron zwischen einem Audio-Quellgerät und einem oder mehreren Audio-Empfangsgeräten (Audio-Sink-Funktion) abspielen. Das optimiert deren Leistung deutlich. Beispielsweise ergibt sich so bei kabellosen Ohrhörern ein besseres Stereo-Hören. Auch können Nutzer zwischen verschiedenen Sprachassistenten ebenso nahtlos wechseln wie zwischen unterschiedlichen Audio-Quellgeräten.

Die Funktion AuracastTM ermöglicht ebenfalls, aus einem Audio-Quellgerät einen oder mehrere Audioströme an viele Audio-Sink-Geräte zu senden. Im Gegensatz zur Multi-Stream-Funktion ist die Anzahl der Audio-Sink-Geräte hier jedoch unbegrenzt. Dadurch eröffnen sich vollkommen neue Anwendungsfälle zur gemeinsamen Nutzung von Audioerlebnissen.

Beginnt ein Auracast-Sender, etwa ein Fernseher, Smartphone, Laptop o. Ä., eine Sendung, enthält diese einen oder mehrere Audiostreams (z. B. linker und rechter Stereo-Stream) sowie eine sogenannte Ausschreibung mit Informationen zur Sendung, wie Name, Inhalt, Codec-Konfiguration usw. Entsprechende Assistenten, also Auracast-fähige Smartphones, Smartwatches oder Hörhilfen, suchen nach dieser Ausschreibung. Über ihre Benutzeroberfläche können Nutzer dann die Übertragung auswählen – genauso wie man sich heute mit einem WLAN-Netzwerk verbindet. Sobald eine Sendung gewählt wurde, gibt der Auracast-Assistent dem Empfänger (z. B. Kopfhörer oder Ohrhörer) die Informationen weiter, die dieser benötigt, um der Sendung beizutreten. 

So können Menschen mittels persönlicher Audiofreigabe Musik oder Podcasts über ihr Smartphone mit der Familie oder Freunden in Bluetooth-Reichweite teilen. Im öffentlichen Bereich können beispielsweise Flughäfen oder Bahnhöfe, Bars, Fitnessstudios, Kinos oder Konferenzzentren Bluetooth Audio freigeben und auf diesem Weg Informationen oder Musik an ihre Besucher weitergeben. So haben Menschen die Möglichkeit, dieselbe Musik zu genießen – in größerem Stil sogar bei „stillen“ Konzerten oder Discos. Auch ist es möglich, mit den eigenen Ohrstöpseln oder Hörhilfen den Ton eines stummgeschalteten Fernsehers, beispielsweise in einem Fitnessstudio oder Wartezimmer, zu empfangen, die Übertragung eines Konferenzvortrags, einer Vorlesung, eines Gottesdienstes oder einer Museumsführung zu verfolgen oder Durchsagen auf dem Flughafen zu erhalten. Da mehrere Audioströme parallel gesendet werden können, lassen sich z. B. unterschiedliche Sprachen übertragen. Das ist vor allem für Vorlesungen, Konferenzen oder für Durchsagen auf Flughäfen interessant.

Anwendungsbeispiel: LE Audio in Hörhilfen

Für Menschen, die eine Hörhilfe (Assistive Listening System, ALS) tragen, wird LE Audio erhebliche Verbesserungen bringen. Sie profitieren nicht nur von einer deutlich höheren Audioqualität als bei klassischen Hörgeräten, sondern können ihre Auracast-fähige Hörhilfe auch als drahtlose Kopfhörer nutzen, z. B. beim Telefonieren mit dem Smartphone. Dadurch kommt es nicht zu Störungen während eines Gesprächs, die oftmals entstehen, wenn das Telefon neben die Hörhilfe ans Ohr gehalten wird. Hierfür reicht eine einfache Topologie aus (Bild 3, links).

Die Verbindung zwischen Telefon und Hörgerät wird durch einen Audiostrom hergestellt, der auch einen Rückstrom ermöglicht. Für die Erfassung der Rücksprache kann der Nutzer das Mikrofon entweder des Hörgeräts oder des Telefons verwenden. Da beide Richtungen des Audiostroms separat konfiguriert und gesteuert werden, können beide auch einzeln ein- und ausgeschaltet werden.  

Bei der Topologie in Bild 3, rechts, sendet das Telefon einen eigenen linken und rechten Audiostrom an die Hörhilfe im rechten bzw. linken Ohr. Im Vergleich zur Verbindung mit einem Audiostrom, der über eine zweite Funkverbindung dann auch das andere Ohr versorgt, sinkt die Latenzzeit damit deutlich. Das zeigt sich u. a. bei der Lippensynchronisation von Filmen oder Musikvideos.

Auch die Rückströme lassen sich separat umsetzen, was die Komplexität noch erhöht. Diese parallelen, synchronisierten Streams an zwei unabhängige Audiogeräte gehen weit über das hinaus, was klassische Bluetooth-Audioprofile bewältigen konnten.

Hardware für neue Hörerlebnisse

Auch wenn LE Audio auf Bluetooth LE basiert, ist hierfür eine eigene Hardware nötig. Nordic Semiconductor bietet mit dem nRF5340 ein All-in-One-SoC (System-on-Chip) an, das sich mit seinem Dual-Core Prozessor – bestehend aus dem 128/64 MHz Arm Cortex-M33 Applikationsprozessor mit 1 MB Flash und 512 kB RAM sowie dem 64 MHz Arm Cortex-M33 Netzwerkprozessor mit 256 kB Flash und 64 kB RAM – und einem erweiterten Temperaturbereich von -40 bis +105 °C bestens für Bluetooth-LE-Audio-Anwendungen eignet.

Für einen noch einfacheren Start hat Nordic das nRF5340 Audio Development Kit (DK) zusammengestellt. Es unterstützt alle Auracast-Funktionen und ist konfigurierbar. Als USB-Dongle kann es Audiodaten von einem PC senden oder empfangen, außerdem lässt es sich als Business-Headset oder True Wireless Stereo (TWS) Ohrhörer verwenden. Das Audio DK besteht im Wesentlichen aus dem nRF5340 SoC, dem Power-Management-IC nPM1100 und der CS47L63 Audio-DSP (digitaler Signal-Prozessor) von Cirrus Logic, die für den direkten Anschluss an eine externe Kopfhörerlast optimiert ist und sich perfekt für Ohrhörer mit Mono-Only- und direktem Lautsprecherausgang eignet.

Ebenfalls auf Basis des nRF5340 hat Nordic mit Unterstützung von Rutronik das Thingy:53 entwickelt. Die Multisensor-Prototyping-Plattform mit Multiprotokoll-Kurzstrecken-Konnektivität verkürzt die Time-to-Market von embedded-Anwendungen mit Machine-Learning- (ML) Funktionalität. Das Thingy:53 ist ausgestattet mit mehreren Bewegungs- und Umweltsensoren, dem Power-Management-IC nPM1100, dem nRF21540 Front-End-Modul, einem Leistungsverstärker / Low Noise Amplifier und einem 1350-mAh-Li-Poly-Akku. Damit können eingebettete ML-Modelle direkt auf dem Gerät ausgeführt werden, um die Sensoren z. B. zur Spracherkennung zu nutzen. Durch bestimmte Bewegungen oder Geräusche kann der nRF5340 aus dem Stand-by-Modus geweckt werden, sodass die Plattform lange im stromsparenden Schlafmodus verbleibt.

Darüber hinaus finden sich im Rutronik-Produktportfolio auch Module, die auf dem Nordic-Chip nRF5340 basieren. Beispielsweise das ISP2053 von Insight SiP integriert mit seinem System-in-Package- (SiP) Ansatz Halbleiter- und passive Komponenten inklusive der Antennenstruktur in ein miniaturisiertes Modul von nur 8 x 8 x 1 mm. Damit ist es ideal für Applikationen, in denen wenig Platz zur Verfügung steht. Das Modul ist vollständig zertifiziert und unterstützt neben Bluetooth Audio auch alle weiteren Profile von Bluetooth LE, Long Range und Mesh sowie NFC, Thread, ZigBee und die Richtungsbestimmung mittels AoA/AoD (Angle of Arrival, AoA / Angle of Departure, AoD). Ab Bluetooth 5.0 sind alle Module von Insight SiP Pin-to-Pin-kompatibel und ermöglichen so den einfachen Umstieg auf die neuste Bluetooth-Generation.

Wer die kompakte Bauform des Insight SiP Moduls nicht benötigt, der findet in dem MS45SF1 von Minew möglicherweise eine preislich sehr attraktive Alternative. Als offiziell lizenzierter Design-Partner von Nordic nutzt Minew für das MS45SF1 auch den nRF5340. Das Modul kommt mit integrierter PCB-Antenne und ist ebenfalls vollständig zertifiziert.

Fazit

Bluetooth LE Audio weist den Weg in eine neue, komplett vernetzte Audio-Welt aus Kopfhörern, Ohrstöpseln oder Hörhilfen und Smartphones, Laptops, Fernsehern sowie anderen Audiogeräten. Die Einführung der nativen LE-Audio-Unterstützung in Android 13 dürfte das Interesse der Hersteller von Audiogeräten an der neuen Bluetooth-Version sicher beschleunigen. Die Bluetooth SIG geht in ihrem „Bluetooth Market Update 2022“ jedenfalls von einem kräftigen Schub bei Ohrstöpseln und Kopfhörern durch LE Audio aus und prognostiziert mehr als 600 Millionen verkaufte Geräte bis 2026. Nicht zuletzt wird Bluetooth LE Audio den bisherigen Markt der Hörhilfen bzw. Hörakustik massiv verändern. Die Weiterentwicklung sorgt für preisgünstige Hardware mit der Option der Hörkurvenanpassung wie Frequenz- (Equalizing) und Phasenkorrektur und mehr. Die Steuerung erfolgt dabei ganz einfach über eine Handy-App.

 


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Bluetooth LE Audio

Die Bilder und Grafiken zeigen die erweiterten Möglichkeiten und Verbesserungen von Bluetooth LE gegenüber Bluetooth Classic ganz deutlich.

LC3 (Low Complexity Communications Codec) bietet bei jeder Datenübertragungsrate eine bessere Audioqualität als der SBC- (Low Complexity Subband) Codec, auf dem Classic Audio basiert. (Quelle: Bluetooth SIG)

Mit Auracast lässt sich eine Hörhilfe als Kopfhörer nutzen, entweder mit einem Audiostream oder mit zwei separaten für die linke und rechte Hörhilfe. (Quelle: Rutronik)