FAE-Support – Field Application Engineers ohne Field

01.02.2022 Know-How

Mit Entwicklern an einem Tisch sitzen – das war einmal. Die Corona-Pandemie hat auch den Design-in Support größtenteils in den digitalen Raum verschoben. Was kann er trotzdem leisten? Und wie wird er in der Nach-Corona-Zeit aussehen? Carsten Steiner, Director FAE/BDM Global bei Rutronik, gibt die Antworten.

Herr Steiner, was kann digitaler FAE Support?

Ich fange mal damit an, was er nicht kann: Wir können Bauteile nicht unter Realbedingungen mit unseren Kunden testen. Auch die Haptik fehlt, vor allem bei vielen elektromechanischen Bauteilen. Und Displays muss man vor einer Kaufentscheidung einfach gesehen haben, da reichen auch die hochwertigsten Broschüren, Webseiten und Datenblätter nicht aus. Deshalb haben wir ein umfangreiches Lager mit Demo-Produkten, die unsere Kunden ausleihen und in ihrer Applikation testen können.

Was noch fehlt: Die persönliche Begegnung. Sie lässt sich einfach nicht komplett durch den digitalen Austausch ersetzen.

Aber alles andere funktioniert online genauso gut – manches sogar besser. Wir erleben immer wieder, dass wir die Fragen unserer Kunden in Webmeetings oft schneller klären können als bei einem Vor-Ort-Termin. Dafür bereiten sich unsere FAEs aber auch auf jedes Gespräch noch intensiver vor als bisher. Künftig wollen wir auch noch andere Kommunikationswege und -Tools einsetzen, etwa Messenger-Dienste, Ticketing-Systeme und Virtual- oder Augmented-Reality-Lösungen. Damit wollen wir unsere Kunden noch individueller ansprechen – ein Neueinsteiger und Digital Native hat da einfach andere Erwartungen und Vorlieben als ein „alter Hase“ mit jahrzehntelanger Erfahrung.

 

Wenn sowieso alles online abläuft – kann der Entwickler oder Einkäufer dann nicht gleich googeln, in einem Online Shop recherchieren oder in Foren nachfragen?

Im Internet findet man doch alles. Das stimmt nicht ganz. Man findet sicher sehr viele Infos, doch es dauert leicht ein paar Stunden, um das

herauszufinden, was ein FAE in wenigen Minuten beantworten kann. Dazu kommt: Man muss die Informationen auch einordnen können. Und dafür braucht es Wissen und Erfahrung. Jeder unserer Kunden ist ein absoluter Experte auf seinem Gebiet, gar keine Frage! Seine Kernkompetenz liegt aber nicht darin, den Bauteilemarkt ständig intensiv zu beobachten. Das ist eine zeitaufwändige Aufgabe, die unsere FAEs im engen Austausch mit den Komponentenherstellern und in Zusammenarbeit mit unseren Produkt- und Line Managern übernehmen.

Das ist auch deswegen so zeitintensiv, weil die Variantenvielfalt und Komplexität der Bauteile in den letzten Jahren enorm angestiegen sind; gleichzeitig verkürzen sich die Lebenszyklen immer weiter. Die aktuellen Bauteile zu kennen reicht aber nicht, auch die Roadmap der Hersteller ist wichtig. Wenn man die nicht kennt, kann es passieren, dass man ein Bauteil eindesignt, das bei Serienstart schon wieder abgekündigt ist. Unsere FAEs haben das immer im Auge, ebenso die Lieferzeiten. Um hier unliebsame Überraschungen zu vermeiden, empfehlen sie zudem alternative Bauteile als Second Source – und zwar nicht nur bei den Fokus-Komponenten. Denn auch ein C-Teil kann die Produktion stoppen, wie sich in den letzten Monaten immer wieder gezeigt hat. Zudem muss man die Möglichkeiten und Grenzen der Bauteile einschätzen können. Dazu gehört Erfahrung, aber auch Kenntnisse über die neuesten Technologien. Durch sie ergeben sich oft völlig andere Lösungen für bestimmte Anforderungen.

Das alles lässt sich nicht einfach googlen. Und es kommt noch etwas dazu: Wir beobachten oft, dass der Fokus bei der Bauteileauswahl seit Jahren auf denselben Komponenten liegt, obwohl diese inzwischen technologisch oder kostenseitig keine große Rolle mehr spielen. Andere fallen durchs Raster, es kommen immer wieder dieselben Komponenten zum Einsatz, obwohl hier erhebliches Optimierungspotenzial für die Gesamtlösung steckt. Durch den Blick von außen und mit einem kompletten Produktportfolio im Rücken können unsere FAEs die Gesamtlösung und die Total Cost of Ownership berücksichtigen.

Und noch einen ganz entscheidenden Punkt gibt es: die Time to Market. Die Punkte, die ich genannt habe, tragen alle zu einer schnellen Markteinführung bei. Darüber hinaus unterstützen wir unsere Kunden mit selbstentwickelten Development Kits, Demo Boards und Komplettlösungen, z.B. mit einer MCU-Plattform für KI-basierte Applikationen an der Edge.

 

Sie haben über kurze Entwicklungszyklen gesprochen. Welche Produktbereiche entwickeln sich am dynamischsten?

Alles aus dem Wireless-Bereich gehört sicher dazu. Die neuen Funk-Technologien wie 5G, WiFi 6 oder Weiterentwicklungen bei Bluetooth eröffnen ganz neue Möglichkeiten der Vernetzung, die ja ein Hauptelement von IoT und Industrie 4.0 ist. Zudem lassen sich Ideen, die noch vor zwei Jahren zu teuer, zu komplex, zu groß oder zu leistungsintensiv waren, jetzt häufig umsetzen. Bei den Halbleitern sorgen die Wide-Bandgap-Materialien wie SiC und GaN für eine große Dynamik, aber auch bei passiven und elektromechanischen Bauteilen gibt es durch neuartige Akkus und Supercaps viel Bewegung.

 

Wo wir bei den Produkten sind: Was haben Komponentenhersteller von der Zusammenarbeit mit einem Distributor?

Zuerst einmal haben viele Kunden nicht das Volumen, dass ein Hersteller sie alle direkt betreuen könnte. Hier fungieren wir gerne als verlängerter Arm des Herstellers, um dessen Kundenkreis zu erweitern. Und da Rutronik weltweit vertreten ist, erreichen wir auch zusätzliche regionale Märkte – aber auch vertikale Marktsegmente: Es kommt immer wieder vor, dass wir einen Baustein mit Zielmarkt Automotive z.B. für Medizin-Applikationen empfehlen, weil die Features hier auch ideal passen.

Letztendlich geht es ja immer um die Entwicklung eines wettbewerbsfähigen Endproduktes. Je erfolgreicher die Applikation unseres Kunden, desto höher ist der Bauteilebedarf – und das ist schließlich das Ziel von allen Beteiligten: Gerätehersteller oder Entwicklungshaus, Komponentenhersteller und Distributor.

 

Genau an dieser Schnittstelle liegt ja das klassische Arbeitsfeld eines Distributors. Welche Veränderungen sehen Sie hier?

Flexibilität ist noch wichtiger geworden als bisher. Die Pandemie hat wieder einmal gezeigt, dass es auch mit modernsten Planungs-Tools keine Planungs- und Belieferungssicherheit gibt. Generell stehen selbst die großen europäischen OEMs bei den Komponentenherstellern nicht unter den ersten in der Reihe, wenn es um die Belieferung geht – im Vergleich zu den Bedarfen amerikanischer und asiatischer Hersteller ist ihr Anteil einfach zu gering. Als Distributor können wir durch die Bündelungsfunktion und unsere langjährigen, engen Partnerschaften mit den Herstellern noch mehr bewegen. Und wir haben die Expertise und die Lösungen, um eine Bauteile-Knappheit abzufedern. Das geht umso besser, je enger Kunden mit uns zusammenarbeiten und ihre Planungen übermitteln.

 

Werfen Sie zum Schluss noch einen Blick in die Glaskugel: Wie wird sich die Arbeit der FAEs durch die zunehmende Digitalisierung noch verändern?

Das klassische „Field“ mit persönlicher Vor-Ort-Beratung wird es auch in Zukunft in der gewohnten Form nicht mehr geben. Stattdessen wird sich ein Mix aus analogen und digitalen Kommunikationswegen etablieren, der von Kunde zu Kunde anders aussieht. Hierfür kommen neue Tools zum Einsatz, die uns erlauben, schneller und bedarfsgerechter zu agieren, ein paar habe ich ja schon genannt. Darüber hinaus werden sich bestimmt noch weitere entwickeln – wir können gespannt sein!

 

Carsten Steiner, Director FAE/BDM Global bei Rutronik

„Letztendlich geht es immer um die Entwicklung eines wettbewerbsfähigen Endproduktes.“

 


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Carsten Steiner, Director FAE/BDM Global at Rutronik