Hall-Sensoren in Automotive-Anwendungen Für viele Messgrößen geeignet

24.06.2021 Know-How

Auf dem Weg zum autonomen Fahren halten Sensoren verstärkt Einzug ins Auto. Magnetfeld-Sensoren, die auf dem Hall-Effekt basieren, bieten gegenüber anderen Messprinzipien und -technologien einige Vorteile. Aktuelle Modelle erfüllen auch die verschärften Anforderungen aus ISO 26262:2018.

Hall-Sensoren detektieren den Spannungsunterschied, der entsteht, wenn an einem Halbleiter ein Magnetfeld senkrecht zur Fließrichtung des elektrischen Stroms anliegt. Da diese Hall-Spannung proportional zur Magnetfeldstärke ist, können die Sensoren zusammen mit einem Permanentmagneten indirekt zahlreiche Messgrößen erfassen, z.B. Rotation, Drehzahl, Distanz, Druck, Winkel und Füllstand. Da der Sensor das Magnetfeld eines stromdurchflossenen Leiters misst, kann er auch kontaktlos Strom messen. Die anderen Parameter erfasst er ebenso ohne Kontakt, sodass er verschleißfrei arbeitet und damit auch im Langzeitbetrieb zuverlässig korrekte Werte liefert.

Einfache Hall-Sensoren werden häufig als Schalter genutzt, z.B. im Sicherheitsgurtschloss, in Scheibenwischern oder Motorumschaltsystemen. Dabei ist im Sensor ein Schwellwert für die Magnetfeldstärke gespeichert. Erreicht der erfasste Wert diese Grenze, ändert sich der Schaltzustand des Sensors. Beispielsweise ermöglicht der MLX92241 von Melexis durch die integrierten Abblockkondensatoren ein lokal platinenloses Design mit Betrieb direkt an einem Kabelbaum, z.B. für die Erkennung, ob der Sicherheitsgurt angelegt ist. Auf seinem EEPROM-Speicher können kundenspezifische Schwellwerte für die Schaltpunkte, die Ausgangspolarität, den Ioff-Strom und den Temperaturausgleichskoeffizienten für das Magnetmaterial abgelegt werden. Mit dem programmierbaren negativen Temperaturkoeffizienten lässt sich das Verhalten von Permanentmagneten, die bei hohen Temperaturen schwächer werden, kompensieren. Die Hall-Sensorelemente verfügen über Schutzmechanismen für elektrostatische Entladungen, Verpolung und thermische Überlastung. Sie erfüllen das Sicherheitslevel ASIL A.

Linear-Hall-Sensoren erfassen auch Wege und Drehbewegungen

Für die Erfassung von Wegen oder Drehbewegungen sind Hall-Sensoren mit linearer Ausgangskennlinie nötig. Sie kennen nicht nur die Zustände "An" und "Aus", sondern geben ein analoges Signal aus, das proportional zur Magnetfeldstärke ist. Der A/D-Wandler, der entweder in der MCU oder im Hall-Sensor integriert ist, wandelt das analoge in ein digitales Signal um. Zur Steuerung anderer Systemkomponenten liefert dann die MCU ein proportionales pulsweitenmoduliertes (PWM-) Signal oder gleich einen für das KFZ-Sensor-Bussystem SENT kompatiblen Datenstrom. Einige Hall-Sensoren der neuesten Generation haben die PWM-Schnittstelle und die SENT-Schnittstelle gleich integriert.

Bei Hall-Sensoren, die lediglich das Magnetfeld senkrecht zur Chip-Ebene erfassen, sind häufig große und kostenintensive Aufbauten nötig. Weiterentwicklungen integrieren immer mehr Sensoren sowie Signalverarbeitungs- und Berechnungsfunktionen, sodass sich zusätzliche Komponenten häufig erübrigen und weitere Parameter erfasst werden können.

So detektieren vertikale Hall-Sensoren nicht nur das Magnetfeld senkrecht zur Stromrichtung, sondern auch das parallel zur Stromrichtung bzw. zur Chip-Ebene. 2D-Sensoren erfassen zusätzlich zur Amplitude des Magnetfeldes auch dessen Richtung. Damit lässt sich z.B. die Drehrichtung eines Motors ermitteln. Beispielsweise ermöglicht der Hall-basierte Xensiv TLE4988C von Infineon so eine sehr schnelle Messung der Nockenwellenposition. Ein wichtiger Vorteil für Modulhersteller ist die geringere Abhängigkeit von in Sperrrichtung verspannten Seltene-Erden-Magneten; der Sensor ist z.B. für Fe, SmCo und NdFe optimiert. Die automatische Kalibrierung im Fahrzeug berücksichtigt Toleranzen von ferromagnetischen Rädern und magnetischen Encodern sowie Montagetoleranzen des Sensors und ermöglicht damit eine sehr präzise Messung unter realen Applikationsbedingungen. Der TLE4988C kommt in einem PG-SSO-3-52 Nockenwellen-Sensorgehäuse mit Sn-Beschichtung sowie mit 3-Draht-Spannungs-Interface und Abblockkondensatoren in der Versorgungs-/Ausgangsleitung von 220 nF/1,8 nF für hohe EMV-Robustheit.

Der analoge Winkelsensor Xensiv TLE5501 von Infineon basiert auf der TMR- (Tunneling Magneto Resistive) Technologie. Sie sorgt für eine hohe Erfassungsempfindlichkeit mit einer hohen Ausgangsspannung, sodass ein interner Verstärker überflüssig ist und der Sensor direkt an den Mikrocontroller angeschlossen werden kann. Zudem weist die TMR-Technologie eine sehr geringe Temperaturdrift auf, was den Aufwand für externe Kalibrierung und Kompensation reduziert. Der TLE5501 erfasst mit 360°-Winkelmessung die Ausrichtung eines Magnetfeldes, indem er mit TMR-Elementen die Sinus- und Kosinus-Winkelkomponenten misst. Die Rohsignale stellt er als Differenzausgangssignal bereit. Durch die große Ausgangsspannung der Brücke ist keine weitere Signalverstärkung nötig. Der TLE5501 ist als AEC-Q100- und als Automotive-ASIL-Variante erhältlich und eignet sich für die Erfassung einer Winkelposition, als Lenkwinkel-Sensor, für Sicherheitsanwendungen und die BLDC-Motor-Kommutierung.

Die dritte Dimension

Die 3D-Hall-Sensor-Technologie kombiniert laterale und vertikale Hall-Sensoren und kann damit den magnetischen Fluss in drei Ebenen erkennen. Derartige Sensoren ermöglichen die Ermittlung der absoluten Dreh- oder Linearposition jedes beweglichen Magneten. Mit lateraler Erfassung ist z.B. der MLX92256 ausgestattet. Er wurde speziell für den Einsatz in Fensterhebern entworfen und verfügt über einen integrierten Spannungsregler, zwei Hall-Sensoren - einer mit IMC (Integrated Magnetic Concentrator) und beide mit Offset-Unterdrückungssystem - und zwei Open-Drain-Ausgangstreiber. Er ist in zwei Versionen erhältlich: Beim MLX92256LSE-AAA-000 schaltet das Impulssignal bei einer Änderung der lateralen oder vertikalen Komponente um, während sich der Richtungs-Pin nur bei einem Richtungswechsel ändert. Der MLX92256LSE-ABA-000 hat zwei Geschwindigkeitsausgänge, einen für das senkrechte und einen für das laterale Feld.

Die Triaxis-Positionssensoren MLX90371/MLX90372 von Melexis sind inzwischen in der dritten Generation erhältlich. Sie kombinieren ein magnetisches Triaxis-Hall-Front-End, einen Analog/Digital-Signalaufbereiter, einen DSP (digitaler Signalprozessor) für die Signalverarbeitung und einen Endstufentreiber. Sie sind robust gegenüber Streufeldern bis 4 kA/m (oder 5 mT), wie sie durch die zunehmende Elektrifizierung von Fahrzeugen, v.a. bei Elektro- und Hybrid-Fahrzeugen, auftreten. Da sie auch mit einem schwachen Magnetfeld arbeiten können, genügen kleinere und kostengünstigere Magnete. Das bedeutet nicht nur Kosten-, sondern auch Platzvorteile. Der MLX90371 ist ein ASIL-B-Safety-Element out-of-Context (SEooC) nach ISO 26262 und bietet einen Analog- oder PWM-Ausgang. Der MLX90372 ist ein ASIL-C-SEooC nach ISO 26262 und hat einen SENT- oder PWM-Ausgang. Beide erfüllen die EMV-Anforderungen von Automobil-OEMs und sind für Umgebungstemperaturen bis zu 160 °C spezifiziert. Für Applikationen, die besonders hohe Sicherheitsanforderungen stellen, z.B. die Positionserkennung des Gaspedals, gibt es den MLX90372 auch mit einem vollständig redundanten "Dual Die" im TSSOP-16-Gehäuse für die redundante Messwerterfassung.

Eine programmierbare 3D-Sensorfamilie zur Positionsbestimmung bietet TDK-Micronas. Sie besteht aus drei Mitgliedern: dem HAL 3900 mit SPI-Schnittstelle, dem HAL 3930 mit PWM/SENT-Schnittstelle und Schaltausgang (konfigurierbarer High/Low-Side-Schalter) sowie dem HAL 3980 mit PSI5-Schnittstelle. Die Sensoren können externe magnetische Störfelder mithilfe eines Arrays aus Hall-Elementen unterdrücken. Zum Messen eines Drehwinkels ist nur ein einfacher, zweipoliger Magnet erforderlich, der idealerweise in einer End-of-Shaft-Konfiguration über dem empfindlichen Bereich platziert werden sollte. Zudem ermöglichen die Sensoren auch Messungen außerhalb der Achse. Sie können einen Winkelbereich von 360°, lineare Bewegungen sowie eine 3D-Position messen und eignen sich damit hervorragend zur Ermittlung der Lenkwinkelposition. Je nach Sensortyp können temperaturkompensierte Rohwerte von BX, BY, BZ oder bis zu zwei berechnete Winkel übertragen werden. Die HAL-39xy-Sensoren arbeiten in einem Umgebungstemperaturbereich von -40 °C bis +160 °C, sie sind ASIL-B-ready und als SEooC gemäß ISO 26262 für Automobilanwendungen ausgelegt.

Robust und sicher

Die Beispiele zeigen: Nicht nur die Sensortechnologie hat sich enorm weiterentwickelt, um die steigenden Anforderungen im Auto zu erfüllen, sondern auch ihr Design. Viele aktuelle Modelle erfüllen auch die strengeren Richtlinien nach ISO 26262:2018, manche als ASIL-C-SEooC. Dazu tragen Redundanz- und Schutzfunktionen ebenso bei wie verbesserte EMV-Schutzmaßnahmen. Entsprechende Gehäuse sorgen für Robustheit gegenüber Feuchtigkeit, Staub und Schmutz. Für den Einsatz in Hochtemperaturumgebungen sind Hall-Sensoren für bis zu 170 °C Umgebungstemperatur spezifiziert. Mit diesen Merkmalen bilden sie einen wichtigen Baustein auf dem Weg zum autonomen Fahren.

 

Komponenten gibt es auf www.rutronik24.de.

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