Kein Platz für Traditionen Computergestützte Algorithmen als Alternative

21.04.2021 Know-How

Eine zunehmende Anzahl von Entwurfsparametern und Randbedingungen stellt eine zentrale Herausforderung für die Optimierung elektronischer Schaltungen dar. Computergestützte automatisierte Algorithmen bieten eine erhebliche Alternative zu traditionellen empirischen Methoden oder umfangreichen mathematischen Bemühungen.

Die ständig steigenden Anforderungen an leistungselektronische Systeme führen zu einer wachsenden Komplexität von Schaltungen und Reglern. Infolgedessen sieht sich der Ingenieur mit einer herausfordernden Anzahl von Entwurfsparametern und -kriterien konfrontiert. Häufig angewandte Verfahren wie die empirische Parameteroptimierung auf der Grundlage experimentell oder mathematisch ermittelter Anfangswerte sind bei Erreichen eines bestimmten Komplexitätsgrades, wie im Fall von kaskadierten Reglern, unwirtschaftlich.

Eine wesentliche Alternative ist der Einsatz von computergestützten Optimierungsalgorithmen in einem automatisierten Optimierungsprozess, der auf geeigneten systemtheoretischen Strategien und weniger auf heuristischen Methoden basiert. Um solche Algorithmen innerhalb einer Schaltungssimulation laufen zu lassen, wurde das Framework "Optimization Workbench" (OWB) entwickelt. Es bietet ein reichhaltiges und intuitives Front End mit einer Reihe von generischen Funktionen sowie eine Simulatorschnittstelle, Projektkonfigurations-Tools und umfangreichen Nachbearbeitungsmöglichkeiten. Weitere Algorithmen können einfach als externe Plugins hinzugefügt werden.

Als Ausgangspunkt stehen die Optimierung mithilfe eines genetischen Algorithmus (GA), die Monte-Carlo- (MC) Analyse und der Parameter-Sweep/Permutation (PSP) zur Verfügung. Während MC eine reine Zufallssuche ist (oft als "Analyse statistischer Experimente" bezeichnet) und PSP ein einfaches Scannen, ist der GA eine hochentwickelte Multikriterien-Optimierungsmethode. Basierend auf dem natürlichen Evolutionsprozess bietet sie Anwendbarkeit der Genetik für ein breites Spektrum komplexer Optimierungsprobleme, bei denen Zielfunktionen auch irregulär und multimodal sein können und Informationen über die Extremwerte auf andere Weise schwer zu finden sind.

Natürlich kennt Multi-Kriterien/Multi-Ziel-Optimierung eine Reihe anderer, sehr leistungsfähiger Verfahren. Genetische Algorithmen sind jedoch aus der Sicht des Ingenieurs so faszinierend, da diese Methoden Leistung und Effizienz mit Benutzerfreundlichkeit kombinieren, weil sie de facto "natürlich" sind.

Der in dieser Studie implementierte GA ist nicht als detaillierte Modellierung der biologischen Evolution gedacht, sondern dient vielmehr dazu, die Dynamik und Leistungsqualität von z.B. leistungselektronischen Anordnungen zu verbessern, indem die evolutionären Grundprinzipien wie Selektion, Rekombination und Mutation iterativ auf die Parametervektoren eines Simulationsmodells angewendet werden. Ausgehend von einer Gruppe zufälliger Parametervektoren innerhalb eines definierten Suchraumes werden aus diesen durch Rekombination und Mutation abgeleitete Parametervektoren gebildet. Durch den Auswahlprozess werden die geeigneten Kandidaten für die nächste Iteration mithilfe ihrer individuellen Fitness, welche wiederum durch die Simulation ermittelt wurde, ausgewählt.

Hochflexibel bei minimalem Programmieraufwand

Zusätzlich zum Algorithmus selbst erfordert der Prozess der Ausführung einer computergestützten Optimierung eine Vielzahl von genetischen Komponenten. Die Struktur der OWB nach diesen Anforderungen ist in Bild 1 dargestellt.

Mit dem Projekteditor des OWB (Bild 2a) wird eine Konfiguration für geplante Optimierungsläufe erstellt. Basierend auf den Eigenschaften des gewählten Optimierungsalgorithmus werden neben Generics wie Simulatorkonfiguration und Berichtsanpassungen verschiedene Dialoge am Front End zur Verfügung gestellt. Während der Konfigurationsphase werden Benutzeraktionen, algorithmenspezifische Dialoge und Parametereinstellungen aus der Editor-Umgebung heraus gehostet und können bei Bedarf durch das ausgewählte Plugin mitgesteuert werden. Dieser Ansatz bietet ein hohes Maß an Flexibilität bei minimalem Programmieraufwand.

Sobald ein Optimierungslauf gestartet wurde, bereitet der Optimization Executor den Simulator und Postprocessor vor, bevor er dem Algorithmus die Steuerung überträgt. Das Plugin beginnt nun mit der Generierung von Parametersätzen und erfasst deren Ergebnisse durch Simulation mit einem einzigen synchronen Methodenaufruf. Das gesammelte Ergebnis kann durch Aufruf einer anderen Methode an den Postprocessor (Bild 2b) übertragen werden. Der Postprocessor passt sein Layout entsprechend der gemeldeten Ergebnisse durch einen internen Automatismus dynamisch an und aktualisiert es.

Nach und sogar schon während eines Optimierungslaufs kann der Anwender die archivierten Ergebnisse im Postprocessor-Modul untersuchen. Es bietet drei Hauptkomponenten: einen vorlagenbasierten Parameterbericht, eine Ergebnistabelle für die berichteten Werte aus dem Algorithmus und ein vielfältig konfigurierbares, mit dem Tabelleninhalt synchronisiertes 2D-Ergebnisdiagramm für die grafische Auswertung. Zusätzlich profitiert der Benutzer von verschiedenen Optionen zum Export der archivierten Daten in andere Anwendungen für eine tiefere Analyse.

Inzwischen sind drei wichtige Plugins (GA, MC, PSP) standardmäßig implementiert. Der GA, welcher auf der offenen JGAP-Bibliothek basiert, bietet einen reichhaltigen Satz an Abstimmparametern und eignet sich somit für ein breites Spektrum von Optimierungsaufgaben. Die MC-Analyse kann sowohl für die explorative Optimierung als auch für die Voroptimierung von Parameterbeschränkungen für anspruchsvollere Algorithmen wie den GA verwendet werden. Das PSP-Plugin kann zur Abtastung von Systemeigenschaften innerhalb eines n-dimensionalen Suchraums verwendet werden, indem alle Permutationen der parameterspezifischen Sollwertvektoren simuliert werden.

Ein wichtiges Merkmal des OWB-Designkonzepts ist die Möglichkeit, auf einfache Weise zusätzliche Plugins zu definieren. Da die OWB die genetischen Aufgaben selbst übernimmt, kann sich der Anwender durch ein gut dokumentiertes und vereinfachtes Oberflächendesign auf die Implementierung der Optimierungsalgorithmen konzentrieren. Für den Fall erweiterter Anforderungen erlaubt die Schnittstelle nach wie vor die Beeinflussung oder Interaktion mit den meisten automatischen Funktionen der OWB.

Die Unterstützung aller .NET-Idiome wie C#, VB.net und VC++, das gut strukturierte Oberflächendesign und die Möglichkeit, die frei verfügbare IDE von Microsoft Visual Studio zu verwenden, machen die Implementierung und das Debugging neuer Plugins einfach und effizient. Auf diese Weise kann die OWB an jedes Optimierungsproblem angepasst werden, das mit computergestützten Methoden gelöst werden kann.

Prinzipiell wurde OWB so konzipiert, dass es eine intuitive und effiziente Benutzeroberfläche mit umfangreicher Fehlerberichterstattung im Falle einer fehlerhaften Benutzeraktion bietet. Darüber hinaus wurde die Anwendung aufgrund der teilweise langen Optimierungslaufzeiten stabil und hoch fehlertolerant geschrieben, um plötzliche Abstürze und Datenverluste zu vermeiden.

Fazit

Die im Beitrag vorgestellte Optimization Workbench (OWB) hat sich in allen der zahlreichen Optimierungsläufe als stabil und zuverlässig erwiesen. Als komfortables Addon für bestehende Simulationsumgebungen konzipiert, ermöglicht sie computergestützte Optimierungen mit geringem Integrationsaufwand. Komplexe Entwurfsprozesse können beschleunigt und technische Systemreserven optimal erschlossen werden.

Aufgrund der in der OWB bereits jetzt implementierten Optimierungsmöglichkeiten, aber auch wegen der ebenso verfügbaren Plugins für den Entwurf von Reglern und Leistungselektronik ist eine vielfältige Nutzbarkeit gegeben. Mit ihrer intuitiven Benutzeroberfläche ist es eine komfortable Unterstützung für Entwicklungsingenieure in diesem Bereich.

So ist das Werkzeug bereits strukturell darauf vorbereitet, für den Betrieb auf Simulationscluster-Umgebungen erweitert zu werden, um die erforderliche Optimierungszeit durch die parallele Ausführung von Simulationen zu reduzieren. Zur Optimierung von Grid-Modellen wird derzeit eine Schnittstelle zu Simulatoren wie ATP und Cerberus untersucht, um zukünftigen Anforderungen, die sich aus Smart-Grid-Entwicklungen ergeben, gerecht zu werden.

 

Komponenten gibt es auf www.rutronik24.de.

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