Lidar für autonomes Fahren - Wie Science Fiction wahr wird

04.08.2021 Know-How

Ob Knight Riders K.I.T.T. oder die Fahrzeuge in „Das fünfte Element“ – sich ohne eigenes Zutun einfach irgendwo hinbringen zu lassen ist ein Traum vieler Menschen. Aktuelle Autos kommen den Zukunftsvisionen immer näher. Dabei spielen verschiedene Sensor-Technologien eine der Hauptrollen. Eine der vielversprechendsten ist Lidar.

Lidar ist wie Radar eine Methode zur Erfassung und Entfernungsmessung (Detection And Ranging, DAR). Beide nutzen dasselbe Prinzip wie Fledermäuse. Diese senden Ultraschallwellen aus und erkennen aufgrund der Reflexion, wo sich Gegenstände oder Beutetiere befinden. Während bei Radar Funkwellen zum Einsatz kommen, nutzt Lidar Lichtwellen.

Bei Lidar-Sensoren sendet eine gepulste Laserdiode einen Lichtpuls aus. Wird dieser von einem Hindernis reflektiert, erfasst ihn der Sensor. Aus der Zeitspanne zwischen Aussenden und Eintreffen der Lichtwellen, der Time of Flight (ToF), lässt sich die Entfernung zwischen dem Sensor und dem Hindernis bestimmen.

Hochempfindliche Detektoren

Dabei werden die Lichtwellen je nach Abstand und Form des reflektierenden Gegenstands oder Lebewesens in viele Richtungen gestreut. Deshalb ergibt sich ein exakteres Bild der Umgebung, je breiter der Detektorbereich ist - denn umso mehr Reflexionen kann er erfassen. In aktuellen Lidar-Sensoren finden sich hier Avalanche-Photodioden (APD) in Arrays à 8, 12 oder 16 Dioden. Jede Diode entspricht einem Pixel des Gesamtbildes. Das heißt: Neben der Größe des Arrays ist auch der Abstand zwischen den Dioden (= Pixeln) ein Faktor für die Auflösung des Sensors. Hinzu kommt die Empfindlichkeit der APDs. Das Ziel besteht darin, dass sie möglichst geringe Spuren des reflektierten Strahls erfassen.

Der optimale Lichtstrahl

Für die Auflösung des Sensors ist die Länge der Lichtpulse entscheidend. Deshalb stecken Lidar-Hersteller viel Aufwand in die Entwicklung möglichst kurzer Pulslängen. Derzeit liegen sie bei durchschnittlich 5 bis maximal 10 ns. Ein weiterer Faktor ist die Größe des Lichtstrahls. Da die Laserdiode einen extrem fokussierten Lichtstrahl sendet, kann sie nur die Entfernung eines ebenso großen Punktes messen. Für den Einsatz in Fahrerassistenzsystemen oder gar in autonom fahrenden Fahrzeugen reicht das bei Weitem nicht aus. Um das Sichtfeld (Field of View, FoV) zu vergrößern, gibt es unterschiedliche Lösungen. Die Herausforderung besteht hier darin, innerhalb eines großen FoV auch kleinste Flächen zu erfassen.

Sicherheit für Auge und Haut

Ein begrenzender Faktor bei der Lidar-Entwicklung ist die Augensicherheit. Da es gerade beim Einsatz im Straßenverkehr immer sein kann, dass ein Laserstrahl auf die Netzhaut trifft, darf diese dadurch keinen Schaden nehmen. Auch die menschliche Haut kann durch Laserstrahlen angegriffen werden. Die Norm EN 60825-1 definiert verschiedene Klassen entsprechend ihrer Gefährlichkeit für Auge und Haut. Dabei spielen sowohl die Wellen- als auch die Pulslänge eine Rolle. Drei Beispiele für Klassen von Laserstrahlen: Klasse 1 kennzeichnet Laserstrahlung, die ungefährlich ist oder sich in einem geschlossenen Gehäuse befindet. Bei Klasse 2 liegt die Laserstrahlung im sichtbaren Spektralbereich zwischen 400 und 700 nm. Sie ist bei einer kurzen Bestrahlungsdauer von max. 0,25 s für das Auge ungefährlich. Unter Klasse 4 fallen Laser, die auch bei diffus gestreuter Strahlung für Auge und Haut sehr gefährlich sind.

Flash-Lidar - gestreutes Licht

Eine Methode, um das FoV zu vergrößern, basiert darauf, den Lichtstrahl zu streuen, sodass er mit weitem Abstrahlwinkel ein großes FoV abdeckt. Bei diesem sogenannten Flash-Lidar ist das Licht jedoch diffus und erheblich schwächer als der gebündelte Lichtstrahl. Um dennoch eine hohe Reichweite und Auflösung zu erzielen, kommen Laserdioden mit einer sehr hohen Leistung von 1-2 kW zum Einsatz.

Für Anwendungen, bei denen Objekte nur in geringer Entfernung erfasst werden müssen, sind Oberflächenemitter-Laserdioden (Vertical-Cavity Surface-Emitting Laser, VCSEL) mit einer Wellenlänge zwischen 850 und 940 nm ideal. Mit ihnen lassen sich leistungsstarke 2D-Arrays aufbauen. Auf der Detektorseite sind besonders empfindliche Sensoren vorteilhaft, die sogar einzelne Photonen erfassen - sogenannte Single-Photon-Avalanche-Dioden (SPAD). Um die Reichweite zu erhöhen und auch bei starker Sonnenlichteinstrahlung eine zuverlässige Abstandsmessung zu gewährleisten, hat das Fraunhofer-Institut für Mikroelektronische Schaltungen und Systeme CMOS-SPAD-Detektoren entwickelt. Dabei werden SPADs in einem CMOS-Prozess integriert, der für die Automobilindustrie zertifiziert und für optoelektronische Anwendungen optimiert wurde. Das Ergebnis sind hochempfindliche und sehr schnelle Avalanche-Photodioden mit einer kurzzeitigen Verstärkung von bis zu 108, hohen Pulsraten und geringem Rauschen.

Einen Flash-Lidar-Sensor mit CMOS-SPADs bietet Laser Components: Der SPAD2L192 ist ein 192×2-Pixel-Solid-State-CMOS-Sensor für Flash-Lidar-Anwendungen. Seine Abstandsmessung basiert auf dem First-Photon-Direct-ToF-Prinzip. Die Einzelphotonen-Detektoren bieten eine sehr hohe Empfindlichkeit und eine hohe zeitliche Auflösung. Der pixelinterne Time-to-Digital-Wandler mit einer zeitlichen Auflösung von 312,5 ps und einem Skalenendwert von 1,28 μs ermöglicht eine nominale Reichweite von 192 m und eine Entfernungs-Auflösung von 4,7 cm.

Scanning-Lidar - bewegliche Spiegel

Um die Lichtstärke beizubehalten und trotzdem ein größeres FoV abzudecken, setzt die Scanning-Lidar-Technologie darauf, das Sichtfeld mit einem Lichtstrahl "abzuscannen". Mithilfe bewegter Mikro-Spiegel wird dieser über das zu erfassende FoV gelenkt. Bei Scanning-Lidar-Sensoren kommen in der Regel zwischen einer und 16 Laserdioden zum Einsatz. Kantenemittierende Laser mit einer Wellenlänge von 905 nm erzielen hier die besten Ergebnisse, High-Power-Laserdioden mit über 100 W ermöglichen eine Reichweite von bis zu 150 m.

Da nur wenige Dioden mit relativ geringer Leistung ausreichen, haben Scanning-Lidar-Sensoren ein gutes thermisches Verhalten. Dadurch erlauben sie sehr hohe Pulsraten, sodass auch mit einer Wellenlänge von 905 nm die Augensicherheit gewährleistet ist.

Das FoV beträgt normalerweise 145° in der y-Achse und 3,2° in der z-Achse. Theoretisch lässt sich mit dieser Technologie ein 360°-Rundumblick realisieren, in der Realität kommt es dabei aber zu "blinden Flecken". Im unmittelbaren Nahfeld kann der Lichtstrahl nicht messen. Mit zusätzlichen Radar- und Kamera-Lösungen lässt sich diese Schwachstelle ausgleichen. Für den Einsatz in Fahrzeugen sind Scanning-Lidar-Sensoren aufgrund ihrer Größe und mangelnden Robustheit jedoch ungeeignet: Sie messen ca. 10,5 cm × 6 cm × 10 cm und sind damit zu groß, um sie z.B. ins Gehäuse des Scheinwerfers zu integrieren. Zudem sind die beweglichen Spiegel anfällig für Vibrationen, Stöße, Staub und extreme Temperaturen, wie sie sich bei Fahrzeugen nicht vermeiden lassen.

Entsprechende Dioden sind von Laser Components verfügbar: Die 905DxxUA-Serie umfasst Pulslaserdioden im Single- und Multi-Junction-Design mit bis zu 110 W Laserleistung und einer Wellenlänge von 905 nm. Die Bauteile sind äußerst zuverlässig, haben eine hervorragende thermische Stabilität und eine sehr präzise Chip-Ausrichtung im hermetisch dichten Gehäuse. Damit eignen sie sich für die Entfernungsmessung und Hinderniserkennung, Vermessungsgeräte, Laser-Radar sowie viele Applikationen im Medizin-Bereich. Die AEC-Q101-qualifizierten Varianten können auch in Automotive-Anwendungen eingesetzt werden.

Auf der Detektor-Seite empfehlen sich Si-APD oder Si-APD-Arrays. Die Si-APDs der SAHA-Serie von Laser Components sind optimiert für Wellenlängen zwischen 850 und 905 nm. Hier ist das Halbleitermaterial besonders effizient, zudem emittieren auch die gepulsten Laserdioden bei diesen Wellenlängen. Im Miniatur-SMD-Gehäuse bieten die Si-APDs eine hohe Quanteneffizienz und damit eine hohe Empfindlichkeit und geringes Rauschen. Dieselben Charakteristika bietet die SAH1Lxx-Serie von Arrays mit 8, 12 oder 16 hochempfindlichen Si-APDs im LCC44-Gehäuse mit Schutzfenster. Sie zeichnen sich durch einen besonders engen Abstand von 40 µm aus. Ein Array mit 12 APDs ist auch im 14-Pin-DIL-Gehäuse erhältlich. Neben den Standard-Arrays sind auch kundenspezifische mit APDs in beliebiger Anzahl und Größe erhältlich.

Solid-State-Lidar - Halbleiter anstelle mechanischer Komponenten

Eine kleinere und robustere Alternative sind Solid-State-Lidar-Sensoren. Sie setzen auf Halbleiter anstelle mechanischer Komponenten, um den Lichtstrahl zu lenken. Hier lassen sich zwei Arten unterscheiden: solche mit MEMS-basierten Spiegeln und mit OPAs (Optical Phased Arrays).

Lidar mit MEMS-basierten Spiegeln nutzt eine Matrix aus Mikrospiegeln; jeder Spiegel hat eine Kantenlänge von wenigen Mikrometern. Sie wechseln mehrere tausend Mal pro Sekunde zwischen zwei Positionen hin und her. Bewegt werden sie durch elektrostatische Felder. Derartige Lidar kommen z.B. in Scanner-Kassen oder DLP- (Digital Light Processing) Projektoren zum Einsatz. Das heißt, es handelt sich um eine bewährte Technologie mit relativ geringen Herstellungskosten.

Für Automotive-Anwendungen müssen die Sensoren jedoch deutlich höhere Anforderungen erfüllen. So ist hier ein breiteres FoV nötig als bei einer Kasse oder einem Projektor. Aktuelle Lösungen bieten bei einer Scanfrequenz von über 100 Hz einen Winkel von 40°; MEMS-Systeme mit größeren Winkeln sind derzeit in Entwicklung.

Bei Lidar mit OPAs wird die Phase des emittierten Lichts jeder Laserdiode von einem Modulator so verändert, dass ein Impuls eine größere Fläche abdeckt. Diese Technologie befindet sich noch im Forschungsstadium.

Eine Variante setzt auf einen wenige Quadratmillimeter großen Silizium-Schaltkreis als Ersatz für die rotierende Emitter- und Detektor-Einheit. Für höhere Leistungen und ein weites FoV finden Versuche mit Wellenlängen statt, die weiter ins Infrarot-Spektrum reichen als die bislang gängigen 905 nm. Eine Wellenlänge von bspw. 1550 nm ist unschädlich fürs Auge, könnte jedoch durch Schnee oder Regen beeinträchtigt werden. Zudem sind dafür auch andere Detektoren erforderlich.

Viele Technologien machen Science Fiction zur Realität

Bis autonome Fahrten wie in den Science-Fiction-Filmen möglich sind, wird es noch ein paar Jahre dauern. Doch jedes Assistenzsystem, wie Adaptive Cruise Control (ACC), Emergency Brake Assist (EBA) oder Lane Departure Warning (LDW), ist ein Schritt in diese Richtung. Lidar sind für viele ein unverzichtbarer Baustein, der jedoch unbedingt mit anderen Technologien wie Ultraschall-Sensoren, Kameras und Radar-Lösungen kombiniert werden sollte - denn jede Technologie hat ihre Schwachstellen und Stärken.

 

Komponenten gibt es auf www.rutronik24.de.

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