Magnetometer messen ein Magnetfeld oder ein magnetisches Dipol-Moment. Ein typisches Magnetometer ist ein Kompass. Er misst die Richtung eines umgebenden Magnetfeldes, in diesem Fall des Erdmagnetfeldes. Verschiedene Arten von Magnetsensoren erfassen hingegen die Richtung, die Stärke oder die relative Änderung eines Magnetfelds an einem bestimmten Ort.
Magnetometer werden bereits seit einigen Jahrzehnten in der Automobilindustrie und im industriellen Bereich eingesetzt, in der Unterhaltungselektronik sind sie etwa in Smartphones, Wearables und Augmented Reality/Virtual Reality- (AR/VR) Brillen, in Drohnen und Robotern, Smart Home-Geräten und IoT-Anwendungen standardmäßig zu finden. Hinzu kommen neue, spannende Anwendungsbereiche, beispielsweise die Kopfausrichtung für 3D-Audio, die verbesserte Navigation in Innenräumen, Positionsbestimmung und Geschwindigkeitserkennung. Eine Möglichkeit, diese umzusetzen, ist mit Hall-Sensoren.
Hall-Sensoren nehmen großes Marktvolumen ein
Ein Hall-Sensor ist ein Sensorelement zur Erkennung des Hall-Effekts bzw. der sogenannten Hall-Spannung. Hall-Sensoren gehen auf die Entdeckung von Edwin Hall zurück. Im Jahr 1879 stellte der Wissenschaftler fest, dass ein Magnet, der senkrecht zu einem stromdurchflossenen Leiter platziert wird, die im Leiter fließenden Elektronen zu einer Seite zieht und so einen Ladungsunterschied (d. h. eine Spannung) erzeugt. Der Hall-Effekt ist also ein Indikator für ein Magnetfeld in der Nähe eines Leiters und dessen Stärke. Er wird in Sensoren genutzt, um anhand der resultierenden Hall-Spannung das Vorhandensein, die Abwesenheit oder die Stärke eines Magnetfeldes anzuzeigen. Aktuelle, hochintegrierte Hall-Sensoren beinhalten unterschiedliche Funktionen zur Sensorsignalaufbereitung wie z. B. differenzielle Anordnung von Hall-Elementen, Instrumentierungsverstärker, A/D-Wandler bis hin zu MCUs (je nach Version). Obwohl Hall-Sensoren also funktionieren, indem sie ein Magnetfeld detektieren, lassen sie sich zur Messung vieler Parametern nutzen, etwa Position, Temperatur, Strom und Druck.
Aufgrund der hochentwickelten und kostengünstigen Produktion haben Hall-Sensoren seit langem ein beträchtliches Marktvolumen. Sie bestehen im Wesentlichen aus einem dünnen Stück eines rechteckigen p-Typ-Halbleitermaterials wie Galliumarsenid (GaAs), Indiumantimonid (InSb) oder Indiumarsenid (InAs), das von einem Dauerstrom durchflossen wird. Befindet sich der Sensor in einem Magnetfeld, üben die magnetischen Flusslinien eine Kraft auf das Halbleitermaterial aus, welche die Ladungsträger, Elektronen und Löcher zu beiden Seiten des Halbleiterplättchens ablenkt. Diese Bewegung der Ladungsträger entsteht durch die magnetische Kraft, der sie beim Durchgang durch das Halbleitermaterial ausgesetzt sind. Die Ausgangsspannung des Hall-Elements, die sogenannte Hall-Spannung (UH), ist proportional zur Stärke des Magnetfelds, das das Halbleitermaterial durchdringt (Output ∝ H). Solche Hall-Sensoren auf Siliziumbasis haben jedoch eine begrenzte Ausgangsleistung, eine geringe Genauigkeit und einen großen Offset.
AMR-Sensoren mit begrenzten Einsatzgebieten
Eine Alternative zum Hall-Sensor ist der Anisotroper Magnetowiderstand- (AMR) Sensor. Ein Magnetowiderstand (MR) ist die Änderung des elektrischen Widerstands eines Leiters durch ein Magnetfeld. Verringert sich der elektrische Widerstand durch das Magnetfeld, spricht man von einem negativen Magnetowiderstand.
Im Allgemeinen werden zwei Definitionen des prozentualen magnetischen Widerstands verwendet: MR0 ist definiert als die Differenz zwischen dem Widerstand mit Magnetfeld und dem Widerstand ohne Feld, geteilt durch den Widerstand ohne Feld.
MRP hingegen ist die Differenz zwischen dem Widerstand mit Magnetfeld und dem Widerstand im gesättigten Feld geteilt durch den Widerstand im gesättigten Feld. Der Höchstwert kann beliebig groß sein.
Der AMR-Effekt wurde 1856 entdeckt und als Transducer erstmals 1971 zum Lesen von Magnetbändern eingesetzt. Honeywell entwickelte auf Basis des AMR-Effekts den Magnetic Random Access Memory (MRAM).
Ein AMR-Sensor lässt sich auch als Kompass nutzen, um das Erdmagnetfeld zu messen. Abgesehen davon sind seine Anwendungsmöglichkeiten begrenzt. Denn obwohl mehrere Halbleiterhersteller eine Reihe von AMR-Sensoren anbieten, liegt ihr Magnetowiderstand normalerweise unter fünf Prozent. Herkömmliche AMR-Sensoren benötigen außerdem zusätzliche Schaltkreise oder Dauermagnete, um die Magnetisierung der Dünnschicht nach Gebrauch wiederherzustellen. Das erschwert das Packaging und sorgt für höhere Kosten.
GMR-Sensoren für viele Anwendungen
Dann gibt es noch den Giant Magnetoresistance- (GMR) Effekt, den Peter Grünberg und Albert Fert unabhängig voneinander im Jahr 1986 als ungewöhnliches magnetoelektronisches Verhalten auf Fe/Cr/Fe-Schichten beobachtet haben. Hierfür erhielten beide 2007 den Nobelpreis für Physik.
Sind zwei Eisenschichten über die nichtmagnetische Chromschicht ferromagnetisch gekoppelt, ist der Widerstand gering, weil die Elektronen auf die zweite Eisenschicht übergehen können, ohne ihren Spin zu verändern. Das MR-Verhältnis in der metallischen Spin-Ventil-Struktur beträgt in der Regel etwa zehn Prozent.
IBM hat GMR-Sensoren schon bald als magnetischen Lesekopf in Festplattenlaufwerken eingesetzt und so höhere Speicherkapazitäten erzielt. Inzwischen werden GMR-Sensoren auch für viele andere Anwendungen eingesetzt.
TMR-Technologie fördert Innovationen in der Sensortechnologie und Computerindustrie
Damit ist die Entwicklung der Magnetometer jedoch nicht abgeschlossen, hinzu kam die Tunnel Magnetoresistance- (TMR) Magnetsensortechnologie. Sie ist genauer, weist weniger Rauschen auf und verbraucht weniger Strom als die früheren Magnetometer-Technologien. Dank dieser Eigenschaften ist anzunehmen, dass sie die Hall-Sensoren zunehmend ersetzen wird.
Die Entdeckung des TMR-Effekts eröffnete außerdem weitere Möglichkeiten für die Nutzung magnetoelektronischer Phänomene in der Computerindustrie, etwa nichtflüchtige Datenspeicher auf Basis des MR-Effekts in Schichtsystemen. Die technische Entwicklung dieses MRAM geht u. a. auf IBM zurück. Die ersten Produkte kamen vor rund 20 Jahren auf den Markt. Heute verwenden alle modernen Festplatten TMR-Schreib/Leseköpfe.
MRAMs vereinen die Vorteile von Halbleiterspeichern – schnelle Zugriffszeiten – und von magnetischen Materialien – hohe Speicherdichte. Zudem sind die nichtflüchtigen Speicher robust, energieautark sowie strahlungsresistent und haben einen zerstörungsfreien Lesevorgang. MRAMs können Daten sogar ohne Strom speichern.
Derzeit ist die Datenspeicherung mit Dynamic Random Access Memory (DRAM) noch die vorherrschende Technologie. Sie hat jedoch den Nachteil, dass die Daten verloren gehen, wenn der Strom ausfällt. Außerdem benötigen die Speichersysteme regelmäßige Refreshs, um Datenverluste zu vermeiden. Obwohl es den Anschein hatte, dass die Silizium-Halbleiter in DRAMs sukzessive durch TMR-Technologien ersetzt werden, sind MRAMs bis heute nur in Nischenanwendungen zu finden und warten noch auf den kommerziellen Durchbruch. In den letzten Jahren ist ihr Marktanteil im Automobil-, Consumer- und Industriemarkt im Vergleich zu anderen Technologien wie Hall, AMR oder GMR allerdings überproportional gewachsen.
Der TMR-Effekt
Der TMR-Effekt beruht auf einer Anordnung, die mit dem GMR-Effekt vergleichbar ist. Erstmals hat ihn Michel Jullière 1975 in Fe/Ge-O/Co-Übergängen bei 4,2 K entdeckt. Die relative Widerstandsänderung betrug etwa 14 Prozent und erregte keine große Aufmerksamkeit. Im Jahr 1991 stellte Terunobu Miyazaki eine Änderung von 2,7 Prozent bei Raumtemperatur fest. Drei Jahre später fand Miyazaki 18 Prozent in Verbindungen aus Eisen, die durch einen amorphen Aluminiumoxid-Isolator getrennt waren. Jagadeesh Moodera maß 11,8 Prozent in Verbindungen mit Elektroden aus CoFe und Co.
Im Gegensatz zum GMR mit einer nichtmagnetischen Schicht wird beim TMR eine nichtleitende Schicht zwischen zwei magnetische Schichten eingefügt. Das erfolgt mit einem magnetischen Tunnelübergang, einem Bauteil aus zwei Ferromagneten, die durch einen dünnen Isolator getrennt sind.
Ist die Isolierschicht dünn genug (typischerweise einige Nanometer), können Elektronen durch die Tunnelbarriere von einer Ferromagnetschicht in die andere gelangen. Die Wahrscheinlichkeit hierfür hängt auch vom Spin ab, was zu hohen MR-Werten für parallele vs. antiparallele Magnetisierung der Spins in den magnetischen Tunnelübergangsschichten führt. Die größten Effekte sind bei Materialien mit vollständig Spin-polarisierten Elektronen zu erwarten.
Da der Tunnelprozess in der klassischen Physik verboten ist, ist der TMR ein quantenmechanisches Phänomen. Die Richtung der beiden Magnetisierungen der ferromagnetischen Schichten lässt sich durch ein äußeres Magnetfeld wechseln. Sind die Magnetisierungen parallel ausgerichtet, ist es wahrscheinlicher, dass die Elektronen durch die isolierende Schicht tunneln, als wenn sie entgegengesetzt (antiparallel) ausgerichtet sind. Das bedeutet, dass zwischen zwei Zuständen des elektrischen Widerstands umgeschaltet werden kann, einem mit niedrigem und einem mit hohem Widerstand.
Aufbau eines Dünnschichtstapels
Der TMR-Effekt kann für viele Anwendungen genutzt werden. Dafür muss jedoch ein Dünnschichtstapel gebaut werden. Der Trick besteht darin, nur eine freie ferromagnetische Schicht zu haben.
Der Magnetic Tunnel Junction (MTJ) in Bild 3 verwendet die sogenannte Austauschkopplung. Bei dieser TMR-Struktur handelt es sich um eine MTJ-Multischicht zwischen zwei Elektroden in einer Geometrie, bei der der Strom senkrecht zur Ebene fließt. Der komplexe Stapel besteht aus Doppelaustauschelektroden, zusammengesetzt aus einer unteren Elektrode, einem unteren Antiferromagneten (AFM), einem Pinned-Layer (PL), einem Spacer, einer Referenzschicht (RL), einer Tunnelbarriere, einer Sensorschicht (SL) sowie der oberen Elektrode.
Um das Austauschfeld zu erhöhen und den MTJ thermisch stabiler zu machen, kann eine synthetische antiferromagnetische (SAF) Struktur anstelle eines einzelnen Ferromagneten (FM) in dem Pinned-Layer verwendet werden, der an den AFM angrenzt. Die SAF-Struktur besteht aus zwei oder mehr FM-Schichten, die durch dünne Ruthenium-Schichten getrennt sind und durch die RKKY-Wechselwirkung gekoppelt sind. Um die Magnetisierung des Pinned-Layers in einer Richtung zu fixieren, wird die Austauschkopplung zwischen der FM- und der AFM-Schicht genutzt. Nur Magnetfelder oberhalb des Austauschfeldes können die Magnetisierung des Pinned-Layers umkehren. Die Pfeile in Bild 3 geben die Richtung der Magnetisierung und des angelegten Magnetfeldes an.
Die Änderungsrate des Widerstands eines Mehrschichtstapels wurde als MR-Verhältnis eingeführt. Dabei liegen die MR-Werte herkömmlicher AMR- und GMR-Elemente bei etwa fünf bzw. zehn Prozent. Beim viel empfindlicheren TMR-Element beträgt sie 100 Prozent oder mehr.
Warum also ist der TMR so empfindlich? Wie beschrieben, besteht das GMR-Element aus einem nichtmagnetischen Metall (z. B. Kupfer), das zwischen zwei ferromagnetischen Schichten eingebettet ist. Die Elektronenübertragung erfolgt durch elektrische Leitung im Metall. In einem TMR-Element hingegen erfolgt der Elektronentransfer durch einen quantenmechanischen Tunneleffekt. Wenn der Pinned-Layer und der freie Layer antiparallel sind, hat ein TMR-Element daher eine anregende Eigenschaft, sodass die Elektronen blockiert werden. Sie können nicht in die Tunnelbarriere übergehen. Bei einem GMR hingegen ist es für die Elektronen schwierig, durch die nichtmetallische Barriere zu gelangen. Dies führt dazu, dass ein TMR-Element eine extrem große MR-Ratio aufweist und ganz klare Signale ausgibt, z. B. "Ja / Nein" oder "1 / 0", je nach Spin-Polarisation der verwendeten Metalle.
Neuer Magnetometer auf Basis der TMR-Technologie
Auf dieser TMR-Technologie basiert das neue 3-Achsen-Magnetometer BMM350 von Bosch Sensortec. Seine wesentlich höhere Empfindlichkeit im Vergleich zu Standard-Hall-, AMR- oder GMR-Sensoren führt zu einer deutlich höheren Messgenauigkeit. Zudem haben TMR-Sensoren eine bessere Temperaturstabilität und eine schnellere Reaktionszeit.
So lassen sich mit dem BMM350 Wearables und Hearables, Smartphones und Tablets, AR- und VR-Geräte sowie Fahrzeug-Applikationen realisieren und verbessern. Aufgrund seiner geringen Größe ist das Magnetometer nahezu unsichtbar: Das Wafer Level Chip Scale Package- (WLCSP) Gehäuse misst nur 1,28 mm x 1,28 mm x 0,5 mm.
Im Vergleich zur Vorgängergeneration, dem BMM150, bietet der BMM350 eine deutlich verbesserte Leistung. Sein durchschnittlicher Stromverbrauch beträgt nur 200 μA bei einer Datenrate von 100 Hz und ist damit zwanzigmal niedriger als bei seinem Vorgänger. Das Rauschen auf der x/y-Achse ist dreimal geringer, die Messempfindlichkeit viermal genauer als beim BMM150. Seine Feldschock-Wiederherstellungsfunktion macht den BMM350 sehr robust gegenüber externen Magnetfeldern und gewährleistet jederzeit eine hohe Genauigkeit.
Die Liste der möglichen Anwendungen für TMR-Sensoren, wie den BMM350, ist lang. Als Positionssensoren (mit einer, zwei oder drei Achsen) können sie die Rotation oder lineare Bewegung oder das Erdmagnetfeld als Kompass messen.
In Hearables verbessert der BMM350 die Kopforientierung und -erkennung für 3D-Audio-Anwendungen. Die Kombination mit Inertialsensoren und intelligenter Fusionssoftware kompensiert hier den stets auftretenden Drehratendrift. Bei kommerziell erhältlichen AR- und VR-Headsets ist es wichtig, dass das Magnetometer mit dem Beschleunigungssensor und dem Drehratensensor kombiniert wird, um die Pixel-Latenz zu reduzieren. So wird das Nutzererlebnis verbessert und Übelkeit vermieden.
Für die Navigation in Innenräumen, für die das GPS-Signal nicht verfügbar ist, kann der BMM350 als digitaler Wegweiser fungieren und die Positionsgenauigkeit erhöhen.
Seine Fähigkeit zur Geschwindigkeitsmessung ist nicht nur für Automobilanwendungen interessant – mit Back-biased Magneten oder magnetischen Drehgebern kann der TMR-Sensor auch die Radgeschwindigkeit bei E-Bikes messen.
Die Strommessung ist eine weitere interessante Anwendung für TMR-Sensoren. Als nicht-invasive Strommesselemente sind sie für viele Anwendungen optimal, z. B. in der Stromverteilung, der Leistungselektronik und der Antriebstechnik. Denn sie bieten eine höhere Empfindlichkeit und Linearität als Hall-, AMR- und GMR-Sensoren.
Zudem sind sie stabil, klein und hochintegrierbar, sie haben einen geringen Stromverbrauch und in der Regel eine große Frequenzbandbreite.
Fazit
Die TMR-Technologie, wie sie im BMM350 von Bosch Sensortec genutzt wird, ermöglicht für zahlreiche Anwendungen eine bessere Benutzererfahrung und sogar ganz neue, spannende Anwendungsfälle, die sich mit anderen Technologien nicht umsetzen lassen.
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