Matter – der Smart Home-Standard - Neuer Schub für Smart Home-Geräte

17.01.2024 Know-How

Mangelnde Kommunikationsfähigkeit und Sicherheit bremsen noch die Nachfrage nach Smart-Home-Geräten. Mit dem neuen Standard Matter könnte sich das bald ändern.

Im Dezember 2019 wurde das Project Connected Home over IP (CHIP) als neuer, offener Smart Home-Standard vorgestellt. Dahinter steht eine Gruppe führender Technologieunternehmen wie Amazon, Apple, Google, Samsung und die Zigbee Alliance, die sich inzwischen Connectivity Standards Alliance (CSA) nennt. Im Mai 2021 legten sie die ersten Spezifikationen fest und nannten das CHIP-Projekt nun Matter. Im Oktober 2022 fiel mit der Veröffentlichung von Matter 1.0 der Startschuss für die Zertifizierungen der ersten Geräte. Bereits am 18. Mai 2023 wurde das erste Update Matter 1.1 veröffentlicht. Die CSA hatte bereits angekündigt, zweimal im Jahr neue Versionen des Standards zu verabschieden. Mit Matter verfolgen die beteiligten Unternehmen mehrere Ziele. Indem die Interoperabilität zwischen Smart Home-Geräten verschiedener Hersteller verbessert wird, soll eine nahtlose Integration und Steuerung ermöglicht werden. Hierfür unterstützt Matter mehrere Kommunikations-Technologien wie Wi-Fi, Ethernet und Thread. Bluetooth wird zudem für die schnelle und nutzerfreundliche Integration neuer Geräte in das bestehende Matter-Netzwerk verwendet. Außerdem sollen die Nutzerinnen und Nutzer ihre Smart Home-Geräte direkt und ohne zusätzliches Equipment oder weiteren Komponenten einfach und sicher über das Internet verbinden können. Zusätzlich sollen Geräte mit Matter nahtlos über verschiedene Plattformen und Anwendungen hinweg kommunizieren können, um den Smart Home-Markt noch zugänglicher und benutzerfreundlich zu machen.

Ein interessantes Feature ist der Multi-Admin-Betrieb. Indem jedes Matter-fähige Smart Home-Ökosystem über einen Pairing-Modus verfügt, sind Matter-Geräte nicht mehr exklusiv an eine Steuerung gebunden, sondern über mehrere Systeme parallel erreichbar. So kann beispielsweise der Smart-TV, der mit einem iPhone zu Apple Home hinzugefügt wurde, von anderen Familienmitgliedern oder Mitbewohnern auch über die Google Home App auf ihrem Android-Smartphone genutzt werden. Neben der Interoperabilität hat Matter noch weitere Vorteile in petto. Dazu gehört seine einfache Bedienung: Dank einer benutzerfreundlichen Schnittstelle können Nutzerinnen und Nutzer ihre Smart Home-Geräte steuern, ohne dass sie eine Vielzahl von Apps und Plattformen verwenden müssen. Außerdem ist Matter in der Lage, auch zukünftige Technologien und Innovationen zu integrieren und gilt somit als zukunftssicher.

Herstellerübergreifender Datenaustausch

Matter basiert auf dem Netzwerkprotokoll IPv6. Das ermöglicht, dass sich alle Geräte selbstständig miteinander vernetzten. Ein gemeinsames Datenmodell erleichtert außerdem den Datenaustausch zwischen verschiedenen Smart Home-Geräten. Diese können direkt miteinander kommunizieren, ohne dass ein Hub oder eine andere Art von Gateway nötig ist, insofern sich die Teilnehmer im gleichen physikalischen Netz befinden.

Mit offenen Standards wie Wi-Fi / WLAN (IEEE 802.11), Thread (IEEE 802.15.4) und Ethernet-/LAN (IEEE 802.3) unterstützt Matter eine große Anzahl von Geräten. Als vierter Standard kommt Bluetooth Low Energy (BLE) hinzu, sodass ein Smartphone oder Tablet während der Installation eine erste drahtlose Verbindung mit dem Matter-Gerät herstellen kann. Ein Verfahren, das bereits heute von vielen Anbietern genutzt wird. So werden beispielsweise neue WLAN-Lautsprecher beim Einschalten automatisch in der App des Herstellers angezeigt. Das Smartphone sendet dann per Bluetooth die WLAN-Zugangsdaten an den Lautsprecher, damit dieser sich ins Heimnetz einbuchen kann.

Um zwischen Thread und Wi-Fi zu kommunizieren, ist ein sogenannter Matter Border Router erforderlich. Einige Anbieter haben bereits Produkte veröffentlicht, die Matter Controller und Border Router kombinieren, z. B. Apple TV 4K, Apple Homepod Mini, Samsung SmartThings Hub sowie zahlreiche Amazon-Echo-Geräte.

Integrierte Sicherheit

Ein weiteres wichtiges Ziel, das die Anbieter mit dem Matter-Standard verfolgen, ist die Sicherheit zu erhöhen und Nutzerinnen und Nutzer vor Angriffen auf ihre Privatsphäre zu schützen. Wenn Hacker versuchen, über das Internet Zugriff auf Smart Home-Geräte zu erlangen, sind diese oft kaum geschützt, laufen mit veralteter Software und setzen den Angreifern mit Standard-Passwörtern kaum Widerstand entgegen.

So sprechen vor allem Sicherheitsbedenken gegen die Anschaffung von Smart Home-Geräten: 47 % der Nicht-Nutzerinnen und -Nutzer fürchten sich vor Hacker-Angriffen, 37 % haben Angst vor dem Missbrauch ihrer persönlichen Daten und 29 % sorgen sich um ihre Privatsphäre, so eine Umfrage im Auftrag der Bitkom vom September 2022.

Um diese Bedenken auszuräumen, wurden bei der Entwicklung von Matter nach dem Standard „Secure by Design“ bereits Sicherheitsanforderungen berücksichtigt: Das Device Attestation Certificate (DAC) schützt vor Fälschungen, indem es gewährleistet, dass die Hardware wirklich vom Original-Hersteller stammt. Um auch hier vor Fälschungen zu schützen, gibt es zudem ein Herstellerzertifikat, signiert von einer offiziellen Zertifizierungsstelle. Hinzu kommen eine abhörsichere Kommunikation und eine sichere Steuerung. Durch PKI-Verschlüsselung und starke Sicherheitsprotokolle gewährleistet Matter die Privatsphäre und Sicherheit der Nutzerinnen und Nutzer.

Noch sind wenige Geräte verfügbar

Neben seinen vielen Pluspunkten ist auf der Minusseite eine eingeschränkte Geräteauswahl zu verbuchen. Weil Matter noch relativ neu ist, ist die Auswahl an kompatiblen Geräten noch begrenzt und es wird einige Zeit dauern, bis mehr Geräte verfügbar sind oder bis es für existierende Geräte mit IEEE-802.15.4-fähigem Transceiver ein Software-Update gibt. So wird für viele ZigBee-basierende Geräte ein Softwareupdate erwartet, insofern der interne Speicher groß genug für ein Firmwareupdate-Over-The-Air (FOTA) dimensioniert wurde.

Aufgrund der Vorteile des neuen Standards ist davon auszugehen, dass sich der Markt schnell mit Matter-fähigen Geräten füllen wird, sobald weitere Smart Home-Anbieter entsprechende Produkte vorstellen. Smart Home-Geräte mit proprietärer Konnektivitätstechnologie dürften durch das technisch durchdachte und sehr nutzerfreundliche Matter kaum noch eine Zukunft haben. Denn es ist anzunehmen, dass sich der Endanwender nicht mit Border Routern, Protokollen und Geräteprofilen auseinandersetzen möchte, sondern nach einer einfachen Einrichtung eine unkomplizierte Bedienung möglichst aller Geräte über dieselbe Oberfläche bevorzugt.

Mit Internetanbindung, Offline-Funktionalität und geräteübergreifenden Steuerungsmöglichkeiten nimmt Matter den Produktherstellern die vielleicht herausforderndste Teilentwicklung ab. Gleichzeitig bleiben Herstellern dadurch weniger Möglichkeiten zur Differenzierung. Bei Heizkörperventilen könnten das etwa die Lautstärke des Stellmotors, die Größe des Energiespeichers und das Display sein. Bei einem Redesign zur Umstellung auf Matter empfiehlt es sich deswegen, das Produkt auch optisch zu erneuern, um Käuferinnen und Käufern zu signalisieren, dass es sich um ein hochinnovatives Produkt handelt. Hierfür drängt sich das Display als Mensch-Maschine-Schnittstelle regelrecht auf. Wichtig für Hersteller von Matter-fähigen Produkten, welche über drahtlose Funktionen verfügen, eine Verbindung zum Internet herstellen und personenbezogene Daten oder Finanztransaktionen verarbeiten, ist dabei, die neuen Sicherheitsanforderungen zu kennen, die ab dem 01. August 2025 beim Verkauf innerhalb des EU-Binnenmarktes gelten. Nähere Informationen dazu sind im Artikel „Mehr Sicherheit für die vernetzte Welt“ auf Seite x zu finden.

Matter-fähige Chips und Module

Im Portfolio von Rutronik finden sich bereits zahlreiche Lösungen für die Entwicklung von Matter-Geräten: Infineon, Nordic Semiconductor, Panasonic und InsightSiP sind nur einige der Anbieter entsprechender Chips und Module. Infineon bietet als Mitglied der CSA selbst Matter-fähige Lösungen an, z. B. die PSoCTM 6-Familie. Sowohl der PSoCTM 62 als auch der PSoCTM 64 werden in Kombination mit einem Wi-Fi-IC Matter-fähig. Generell kommt hierfür jeder Wi-Fi-IC in Frage, der Matter unterstützt. Nutzt man einen von Infineon, z. B. den CYW43439, CYW43012 oder CYW4373, wird die Programmierung komplett von IDE ModusToolbox unterstützt. Über diese kann auch der Matter-Stack eingespielt und auf den PSoCTM 6-Familie gemappt werden. Für März 2024 hat Infineon einen Chip angekündigt (CYW30739), der Matter over Thread unterstützen wird. Zusätzlich wird er das komfortable BLE Commissioning im Matter-Netz verwenden. Der Chip wird vermutlich nur für eine überschaubare Anzahl an Herstellern zur Verfügung stehen, doch ein Modul für den Massenmarkt, in dem er integriert ist, wird für Interessenten über Rutronik erhältlich sein. Für die kundenspezifischen Anmeldeinformationen, mit denen jedes Matter-zertifizierte Gerät ausgestattet sein muss, bieten sich die Security Chips von Infineon als Trust Anchor an, z. B. der OptigaTM Trust. Wie Infineon ist auch Nordic Semiconductor Mitglied der CSA und bietet diverse Chip-Lösungen für Matter an, etwa der nRF52840, der nRF5340 und die neue nRF54-Familie sowie Nordics neustes Release im Wi-Fi-Bereich, der nRF7002. Die nRF54-Familie wird 2024 verfügbar sein. Mit modernsten Sicherheitstechnologien eignet sie sich bestens für künftige Matter-Geräte. Entwickelt für PSA Certified Level 3 verfügt sie über eine Physical Unclonable Function- (PUF) basierte Root of Trust, Secure Boot, Firmware-Update und Storage sowie eine Beschleunigung der Kryptografie, Seitenkanalschutz und Manipulationserkennung. Den Start macht der nRF54H20 mit zwei Arm-Cortex-M33-Prozessoren mit bis zu 320 MHz, die v. a. die rechenintensive Anwendung und die Funkkommunikation übernehmen, sowie zwei RISC-V-Co-Prozessoren für ultra-low-power-Aufgaben und softwaredefinierte Peripherie. Der 2-MB-Flash-Speicher ermöglicht FOTA in den meisten Matter-basierenden Anwendungen ohne zusätzlichen externen Speicher.

Während sowohl die nRF54-Familie als auch der nRF5340 und nRF52840 Matter over Thread verwenden, nutzt der nRF7002 Matter over Wi-Fi. Wird dieser mit einem der genannten BLE-SoCs kombiniert, lässt sich auch mit ihm das komfortable BLE-Commissioning im Matter-Netz nutzen. Das Nordic nRF Connect SDK v2.4 unterstützt die Entwicklung von Applikationen aller Art, auch solche, die auf der neusten Version Matter 1.1 basieren. Dazu gehört auch Periodic Advertising with Response (PAwR). Damit können Geräte, die periodische Werbung empfangen, auch Antworten an den Sender senden, sodass eine bidirektionale Kommunikation entsteht und große One-to-Many-Topologien realisiert werden können. Darüber hinaus bietet Nordic auf Github bereits eine KNX-Integration an, um auch industriellen Gebäudetechnikstandards gerecht zu werden. Das wird dazu beitragen, dass der Hersteller seinen Vorsprung unter den SoC-Herstellern für Smart Home und Smart Buildings auch in Zukunft sichern kann. Panasonic verfügt über Matter-Module, die auf den Chips von Nordic Semiconductor basieren. Im Bereich Matter over Wi-Fi ist es das PAN9028, das in zwei Versionen angeboten wird: entweder mit einem integrierten Power Management IC (PMIC) oder ohne. PMICs für batteriebetriebene Geräte – egal ob die Anwendung Funk anbietet oder nicht – stellen zudem eine ebenfalls sehr stark wachsende Produktgattung von Nordic dar. Neue Wi-Fi6 bzw. Wi-Fi6E Module sind das PAN9019 bzw. PAN9019A. Beide nutzen Matter over Wi-Fi, das PAN9019A kann zusätzlich auch Matter over Thread. Reine Matter over Thread-Module sind PAN1770 und PAN1780. Sie setzen auf Nordics BLE-Chip nRF52840 auf. Für Dezember 2023 hat Panasonic ein Modul basierend auf Nordics nRF5340 angekündigt (PAN1783). Es wird zu den kleinsten nRF5340-basierenden Modulen auf dem Markt gehören und wahlweise mit Bottom-Pad- oder Chip-Antenne erhältlich sein. Auch InsightSIP nutzt Nordic-Chips für seine Module: Basierend auf dem nRF5340 bietet der Hersteller beispielsweise das ISP2053-AX an. Es nutzt die Matter over Thread-Verbindung, ebenso wie das ISP1807-LR, das auf dem nRF52840 beruht. Die Module von InsightSiP beinhalten ebenfalls bereits Quarze und Zertifizierungen, punkten durch ihre extrem kleinen Bauformen, die durch die patentierte interne Antennenlösung jedoch wie ein Chip aussehen. Für preissensitive Geräte bietet Rutronik ähnliche Module von Minew an, die als offizielle Modulpartner bei Nordic gelistet sind. Matter-fähig ist zum Beispiel das MS45SF11, welches auf dem nRF5340 von Nordic basiert. Auch hier wird das Matter over Thread-Verfahren genutzt. Als neues Flaggschiff hat Minew das MS12SF1 auf den Markt gebracht. Das Modul hat sowohl den nRF5340 als auch den Wi-Fi Companion Chip nRF7002 verbaut und zählt damit zu einem der ersten Kombo-Module, das durch die beiden Chips sowohl Matter over Thread (nRF5340) als auch Matter over Wi-Fi (nRF7002) unterstützt.


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Matter Logo (Bild: Nordic Semiconductor)

Mit Matter können unter anderem auch Geräte über Apple Home, Amazon Alexa, Google Home und Samsung SmartThings untereinander sprechen. (Bild: Adobe Stock |#518883245)

Matter Topologie (Bild: Nordic Semiconductor)

Die nRF54-Familie von Nordic Semiconductor ist mit Matter over Thread und modernsten Sicherheitstechnologien ausgestattet. Sie wird ab 2024 verfügbar sein. (Bild: Nordic Semiconductor)