Polymer-Hybridkondensatoren punkten mit Stabilität unter extremen Bedingungen, hoher Lebensdauer, niedrigem Equivalent Series Resistance (ESR), einer Spezifizierungsmöglichkeit bis zu 165°C sowie der Zertifizierung nach AEC-Q200. Aufgrund dieser Eigenschaften kommen sie inzwischen in zahlreichen Anwendungen zum Einsatz, u. a. im Auto, etwa in Electric Control Units (ECU) für Öl- oder Wasserpumpen, Kühlerlüftern und Electric Power Steering (EPS) Systemen. Bei der Selektion des passenden Kondensators ist jedoch Vorsicht geboten: Die Datenblätter der Hersteller sehen alle nahezu gleich aus, feine Unterschiede sind hier nicht zu erkennen. Diese existieren jedoch - zeigen sich aber erst im Test.
Die Produktionsverfahren der Polymer-Hybridkondensatoren sind grundsätzlich patentiert. Neben Unterschieden in der Produktion, nutzen die Hersteller unterschiedliche Rohmaterialien, beispielsweise verschiedene Zusammensetzungen des Polymers sowohl in der Menge als auch in den Inhaltsstoffen. Daher kann das Verhalten der Kondensatoren, obwohl sich dieses im gemäß Datenblatt nicht unterscheidet, etwa im 10kHz- oder 20kHz-Bereich für Automotive-Anwendungen im ESR variieren. Auch im negativen Temperaturbereich treten Unterschiede zwischen den Bauteilen verschiedener Hersteller auf. Deshalb lohnt es sich, auf das Know-how des Herstellers oder eines "neutralen" Distributors zurückzugreifen.
Arrhenius-Formel
Ein wichtiger Aspekt ist z.B. die Lebenserwartung des Hybridkondensators. Um sie zu ermitteln, nutzen Entwickler gerne die bekannte Arrhenius-Formel. Dafür benötigen sie die angegebene Lebensdauer des Herstellers Lb, die maximale Temperatur Tmax, den Temperaturanstieg ΔT0 (6K, maximal zulässiger Wert, kann nach Serie und Hersteller variieren) bei Anlegen des Ripplestroms, sowie die Oberflächentemperatur des Kondensators Tc bei der Anwendung. Daraus errechnet sich die Lebenserwartung wie folgt:
L = Lb x ((2 Tmax + ΔTo - Tc) x 10-1)
Jedoch wird die Formel der Technologie der Polymer-Hybridkondensatoren nicht gerecht. Denn sie beschreibt näherungsweise eine quantitative Temperaturabhängigkeit und hat den Nachteil, dass die Auswirkung des Ripplestromes auf den Kondensator nicht detailliert beachtet wird, da man nur vom Maximalfall ausgeht. Gerade die Eigenerwärmung durch den Ripplestrom hat aber einen deutlichen Einfluss auf die Lebensdauer des Kondensators. Zudem liegen Rippleströme in der realen Anwendung selten linear über die gesamte Nutzungsdauer bei jeglicher Temperatur konstant an. Hier möglichst genau zu arbeiten und bei der Lebensdauerkalkulation durch den Hersteller bzw. Experten dessen Know-how zu nutzen, ist deshalb ein Schlüssel, um das Design effektiv auszulegen.
Exaktere Daten sowie einige spezifische Werte sind weder online noch im Datenblatt, sondern ausschließlich beim Hersteller zu finden. Auf Basis seines Know-hows, der verfügbaren Formeln sowie eigener Messdaten erstellt er eine Lebensdauerkalkulation. Zudem analysiert er die größtmögliche Belastung für den Kondensator und gibt diese Darstellung zur Nachvollziehbarkeit an Kunden weiter. So bekommen der Kunde eine Aufstellung, welches Modell sich für die jeweilige Applikation am besten eignet, welche Stückzahl optimal ist - etwa bei einer Parallelschaltung - und wie lange der Kondensator unter den gegebenen Bedingungen hält. Dies ist schließlich auch die Herstellergarantie.
Lifetime Table und Mission Profile
In den sogenannten Lifetime Tables listen die Hersteller unterschiedliche Werte aus den Testergebnissen auf. Daraus lässt sich ermitteln, wie die Lebensdauer der jeweiligen Schaltung über die Parameter Gehäusetemperatur und Ripplestrom bei 100kHz maximiert werden kann. Wird auf Grundlage des fiktiven Lifetime Tables (Bild 1) z.B. eine Temperatur von 125°C bei 2A angenommen, ergibt sich eine Lebensdauer von 5.000 Stunden. Bei 145°C und 6A würde der Kondensator noch eine Lebensdauer von 850 Stunden erreichen. Die Rated Area bezeichnet hierbei den durch Messergebnisse ermittelten Bereich, während sich die Extended Area auf Hochrechnungen basierend auf den Messergebnissen bezieht.
Die Lifetime Tables der Hersteller zeigen, dass in der Praxis deutlich höhere Werte möglich sind, als diese im Datenblatt angegeben werden, und schaffen Vertrauen in die Technologie der Polymer-Hybridkondensatoren.
Ein Mission Profile (Bild 2) beschreibt, welchen Belastungen und Beanspruchungen ein Kondensator im realen Einsatz ausgesetzt ist. Dazu gehören z. B. die wechselnden Umgebungs- und Betriebstemperaturen, die Belastungsdauer sowie der gemessene Ripplestrom bei einer gewissen Frequenz. Die Messung eines solchen Mission Profiles kostet wertvolle Zeit in der Entwicklung, lohnt sich aber, wenn dadurch die Schaltung effizienter ausgelegt werden kann und der Hersteller beispielsweise drei statt vier Kondensatoren in der Parallelschaltung bestätigt. Anhand dessen erhalten Kunden genaue Angaben zur Zuverlässigkeit des Kondensators in der jeweiligen Applikation.
Bauteile im Überlastungstest
Zusätzlich führen Hersteller Überlastungstests durch und lassen die Erkenntnisse hieraus wiederum in ihre Berechnungen einfließen. Da die Technologie mit unter zehn Jahren noch relativ jung ist, stellen diese Tests eine wichtige Informationsquelle bezüglich Qualität und weiterer Entwicklungsrichtung der Kondensatoren für die Hersteller dar. Für einen Test wurde z. B. ein 25V-Kondensator in der Bauform 10mmx10mm, der auf 2A Ripplestrom, 100kHz, 20mΩ ESR und 4.000h bei 125°C Umgebungstemperatur spezifiziert ist, wesentlich höheren Rippleströmen ausgesetzt. Durchgeführt wurde dies an zwei Standorten bei konstanter Umgebungstemperatur von 125°C mit je 200 Bauteilen. Im Test mit 6A, also einer dreifachen Überlastung, erreichten die Kondensatoren über 19.000 Stunden und liefen noch weiter. Der Kapazitätsdrift stabilisierte sich bei ca. -18%, während die End-of-Life-Definition laut Datenblatt bei -30% liegt. Der ESR blieb konstant (Start bei 18mΩ, Datenblattwert bei 20mΩ, eingependelt bei ca. 22mΩ). Eine ähnliche Erkenntnis haben die Experten bei Rutronik gewonnen: Selbst beim Einfrieren von Kondensatoren bei -55°C änderte sich der ESR nicht. Hierzu haben die Produktmarketing-Ingenieure zusammen mit den Labor-Ingenieurenvon RUTRONIK ein transportables Demonstrationstool entwickelt, das in wenigen Sekunden einen LowESR-SMD-Elko und einen Polymer-Hybridkondensator einfriert, während konstant der ESR gemessen wird. Dabei lässt sich live beobachten, wie der ESR des Polymer-Hybridkondensators absolut stabil bleibt und der des Elko um mehr als das fünffache steigt.
Bei der höchsten Überlastung mit 14A pro Kondensator, die einer Kerntemperatur von etwa 150°C im Kondensator entspricht, kam es im Test nach 4.300 Stunden zu einem Ausfall von lediglich einem der vier Lots. Der Grund lag jedoch nicht in der Technologie selbst: Durch die Hitze war der Gummistopfen porös geworden. Um auch diese Schwachstelle zu beseitigen, suchen die Hersteller bereits nach anderen Verschlussmechaniken und neuen Designs.
Solche Tests zeigen, dass die Möglichkeiten der Hybrid-Technologie bei weitem noch nicht ausgeschöpft sind. Alle Hersteller arbeiten nach wie vor daran, ihre Polymer-Hybridkondensatoren weiter zu optimieren und die Leistung zu maximieren. Zielrichtung sind höhere Kapazitäten, Spannungen und Temperaturen bei längerer Lebensdauer sowie weitere SMD-Becher-Maße im Sinne einer Miniaturisierung bei höherer Belastung.
Kondensator in einer Schaltung ersetzen
Bereits jetzt lohnt es sich oftmals, andere Kondensatortypen durch einen Polymer-Hybridkondensator zu ersetzen. Lassen sich in einer Schaltung beispielsweise zwei oder sogar drei Aluminium-Elektrolytkondensatoren durch ein Hybridmodell austauschen, bedeutet das eine deutliche Ersparnis in Größe, Bauhöhe und Leiterplattenplatz. Zusätzlich gewährleistet der Hybrid aufgrund seiner spezifischen Eigenschaften eine höhere Stabilität als der Alu-Elko hinsichtlich steigendem ESR, Drift über Lebensdauer, Frequenz und Temperatur sowie Veränderung der Kapazität.
Bei einer konkreten Anwendung konnten so beispielsweise axiale Kondensatoren ersetzt werden (Bild 3). Zur Wahl standen der klassische axiale Alu-Elko und der Hybridkondensator, beide in bedrahteter Bauform. Der Ripplestrom pro Becher wies bei beiden ähnliche Werte auf, lediglich die Gesamtkapazität des Hybrids war niedriger. Dieser Faktor tritt bei den meisten Polymer-Hybridkondensator-Lösungen auf, wirkt sich in der Regel jedoch nicht auf deren Funktionsweise in der Schaltung aus. Denn der Einsatz dieser Kondensatoren wird über den ESR und Ripplestrom definiert, ein Bereich in dem auch große axiale oder SolderStar-Kondensatoren Stärken haben, jedoch mit den Alu-Elko typischen Schwächen. Abgesehen davon benötigte der Hybridkondensator einen wesentlich geringeren Bauraum, besaß einen deutlich niedrigeren ESR und lieferte Stabilität über die gesamte Lebensdauer. Neben der Platz- und Gewichtersparnis in der Schaltung ermöglichte der Hybridkondensator zudem Kostenersparnisse.
Wer davon ebenfalls profitieren möchte, sollte zum einen das Know-how der Hersteller nutzen aber insbesondere die Experten bei Rutronik, die herstellerübergreifend die Technologie beurteilen können. Das FAE-Team unterstützt Entwickler vor Ort bei der Auswahl durch herstellerunabhängige Beratung zu Produkten und der Technologie. Für die optimale Auslegung der Schaltung ist Rutronik das Interface mit direktem Kontakt zu den unterschiedlichen Experten bei den Herstellern.