Simulation von Temperatursensoren - Schneller und einfacher ein digitales Thermometer entwickeln

15.08.2019 Know-How

Fieber, Sonntagsbraten, das Wasser in Dusche oder Aquarium – ihre Temperatur wird immer häufiger mit einem digitalen anstelle eines analogen Thermometers gemessen. Bei dessen Entwicklung ist die Wahl des Temperatursensors entscheidend. Ein kostenloses Simulationsprogramm macht sie deutlich einfacher und spart so Zeit und Geld.

Zu Beginn der Entwicklung einer digitalen Temperaturmessschaltung sind die rein mechanischen Aspekte des Designs zu klären; diese sollen hier jedoch nicht betrachtet werden. Anschließend folgen die elektro-thermischen Aspekte. Dabei sind folgende Fragen zu beantworten:

  • Was ist der vorgesehene Temperaturbereich?
  • Welche Messgenauigkeit ist gefordert?
  • Welche Art von Temperatursensor soll verwendet werden?
  • Wie groß sind die Toleranzen der elektrischen Charakteristika des Sensors?
  • Welche Mindest-Bitrate soll der A/D-Wandler liefern?
  • Wie hoch soll die Sensorsignal-Abtastrate sein?
  • Wie groß sind die Werte und Toleranzen aller sonstigen passiven Bauteile in der Anwendung?


Wichtig ist es vor allem, den Temperaturbereich und die Messgenauigkeit festzulegen, da sie die folgenden Schritte bestimmen. Beispielhaft soll der Temperaturbereich hier von +25°C bis +150°C reichen, die Gesamtgenauigkeit soll ±2°C betragen. In diesem [und ähnlichen?] Fällen stehen zwei Temperatursensoren zur Wahl: ein hochempfindlicher, aber nichtlinearer Thermistor und ein Widerstandsthermometer (RTD, Resistance Temperature Device), z.B. ein Platinsensor, der linear, aber weniger empfindlich ist.

Keine einfache Entscheidung: die Wahl des Sensors
Entscheidend für die Auswahl ist es, mit welchem Sensor sich die Vorgaben erreichen lassen. Hierfür reicht es nicht aus, jede der obigen Fragen zu beantworten. Denn die verschiedenen Parameter stehen in komplexen Wechselwirkungen zueinander, d.h. sie beeinflussen sich gegenseitig.

Dabei gilt generell: Der limitierende Faktor eines Systems bestimmt die Genauigkeit. Wenn dieser nicht bekannt ist, nutzt es wenig, die Toleranzen der übrigen Parameter bis auf nahezu null zu reduzieren. Werden beispielsweise Präzisionsthermistoren verwendet mit dem Ziel, die Temperatur mit einer Genauigkeit besser als ±0,2°C zu messen, und kommt gleichzeitig ein einfacher 8-bit-A/D-Wandler zum Einsatz, würde dieser die Präzision der Thermistoren deutlich verschlechtern. Genauso andersherum: Wenn ein mittelmäßig präziser Sensor eingesetzt wird, ist der Einsatz eines 24-bit-A/D-Wandlers nur bedingt  sinnvoll. Will man kleinste Temperaturunterschiede erfassen, so ist ein ADC mit hoher differenzieller Linearität in Zusammenhang mit Kalibrieralgorithmen empfohlen.

Eine andere Methode, um eine möglichst exakte Messung zu erzielen, ist der Einsatz eines Platinsensors der Klasse A (±0,15°C bei 0°C) mit einer linearen Temperaturkennlinie. Dessen Temperaturkoeffizient ist jedoch kleiner als der eines Thermistors, so dass das Messsignal verstärkt werden muss. Dies erfordert zusätzliche Hardware und bringt weitere Toleranzen ins Spiel.

Dies macht die Auswahl der Komponenten zu einer komplexen Aufgabe, für die in der Regel viele Versuche nötig sind. Das kostet Zeit und Geld. Einfacher und schneller wäre es, wenn der Sensor mit seinen Toleranzen, die A/D-Wandler-Genauigkeit und die weitere Hardware ausgewählt, ein "virtuelles Prototypen-Testsystem" aufgebaut und eine Simulation durchgeführt werden könnte, die sofort die erzielbare Genauigkeit anzeigt. Genau dies ermöglichen die PSpice-basierenden  meist  kostenlosen Simulationsprogrammee– obwohl es sich hier um eine analoge Simulationssoftware handelt. Denn PSpice und deren bekannten „Light“-Versionen können jeden Vorgang des digitalen Thermometers simulieren, wie Abbildung 1 zeigt (hier eine Thermistor-basierte Schaltung, eine RTD-basierte Schaltung sähe ähnlich aus).

Komponenten des digitalen Thermometers
Ganz gleich, ob als Temperatursensor ein NTC- (negativer Temperaturkoeffizient) Thermistor oder ein Platin-RTD gewählt wird - SPICE-Modelle dieser Bauteile sind leicht zu finden. Zudem enthält die Schaltung einen Spannungsteiler, bestehend aus dem Thermistor und einem Festwiderstand; eine Niederspannungsquelle liefert den Messstrom. Die resultierende Spannung wird nach Verstärkung und Filterung - mit dem passenden ADC digitalisiert. Ideales Bauteil sind die neuen Analogen Frontends von JRC (NJRC9103) , die den direkten Anschluß des Temperatursensors ermöglichen. Dieses AFE liefert direkt die digitalen Daten und bietet zudem diverse Kalibrierfunktionen zur Offsetkompensation. Ein Mikroprozessor berechnet daraus die Temperatur.

Die direkte transiente Schaltungssimulation (Abbildung 2) zeigt das Temperaturprofil der Anwendung, die Reaktion des Sensors mit Verzögerung und Steigung sowie die Digitalisierung des Signals. Im unteren Bereich ist die zeitliche Abweichung der Auslesetemperatur zu erkennen. Damit die Digitalisierung besser erkennbar ist, wurde für die Simulation eine geringe A/D-Wandler-Auflösung von 10bit und eine lange Abtastzeit von 200ms gewählt.

Die Eigenschaften und Toleranzen des Sensors, hier ein 10Ωk-NTC-Thermistor der NTCALUG-Serie von Vishay, und des Festwiderstands werden mit Spice problemlos simuliert. Die Digitalisierung des Signals und die Umrechnung der digitalisierten Rohmessdaten in die Temperatur erfolgen mithilfe analoger Verhaltensmodellierungs-Spannungsquellen. Interessanterweise ist die Anzahl der Bits (n) der A/D-Wandler jetzt ein Parameter der Simulation und lässt sich zwischen acht und 24 variieren. Auch die Sample-Zeit (Ton) des Sample/Hold-Bausteins ist ein variabler Parameter.  Bei der Verwendung von Sigma-Delta ADCs  kann auf den externen Sample/Hold verzichtete werden, zumal die Temperaturänderung sich ohnehin typischerweise im Bereich von 100ms abspielt.

Bei dem hier gezeigten Beispiel wird als  erster Parameter die Abtastzeit von 10ms festgelegt. Daraufhin lässt sich die optimale A/D-Wandler-Auflösung ermitteln, indem die Werte zwischen acht und 24bit eingegeben werden. Bei der Berechnung einer Fehlerfunktion als Effektivwert der Differenz zwischen Auslesetemperatur und Temperatur des Thermistors nimmt der Fehler bei Auflösungen von n>16 nicht weiter ab, wie Abbildung 3 zeigt.

Alternativ lässt sich auch der Serienwiderstand R1 auf einen minimalen Fehlerwert optimieren. Abbildung 4 veranschaulicht, dass die Fehlerfunktion bei einem Serienwiderstand Rs mit 4,7k ihr Minimum erreicht. Die ERR Fehlerfunktion wurde in den SPICE-Direktiven für die Simulation definiert (s. Abbildung 1).

Im nächsten Schritt werden die Toleranzen des Thermistors und des Festwiderstands R1 variiert und jeweils eine Worst-Case-Analyse auf Basis dieser Toleranzen durchgeführt. In den Abbildungen 5 bis 7 sind drei Fälle zu sehen: Abbildung 5 zeigt die Ergebnisse für einen NTC mit dR25/R25 = ±1% und einer B25/85-Toleranz von ±0,5%, kombiniert mit einem 0,5%-Dünnschicht-Flachchipwiderstand aus der TNPW-Serie von Vishay. Hier steigt die Messunsicherheit von ±0,4°C bei 25°C auf ±1,5°C bei 100°C an. Die Simulationen gelten für ein Worst-Case-Szenario. Unter Einbeziehung der R25- und B25/85-Toleranzen des NTCs und der Toleranzen des Festwiderstands R1 ergeben sich 2^3 = 8 Fälle; die weiße Kurve ist die Referenzkurve. Die Simulation in Abbildung 5 zeigt, dass die Toleranzwerte gleichmäßig verteilt sind; das bedeutet, dass die relativen Toleranzen der Widerstände zueinander zweckmäßig gewählt wurden.

Aus Abbildung 6 ist ersichtlich, dass sich die Temperatur-Messunsicherheit halbieren lässt, indem alle Widerstandstoleranzen halbiert werden (R25 = 0,5% und B25/85 = 0,25% für den Thermistor bzw. 0,25% für den Festwiderstand). Das ist allerdings ein ambitioniertes Vorhaben, denn ob alle Hersteller von Widerständen einen B25/85-Wert von ±0,25% garantieren können, ist zweifelhaft.

Ein gängiger Wert für den B25/85-Koeffizienten ist z. B. ±1,5%. Wird die gleiche Simulation mit denselben Werten wie in Abbildung 5 durchgeführt, aber mit einer B-Toleranz von ±1,5%, erhält man die in Abbildung 7 dargestellten Ergebnisse. Aufgrund der relativ großen Messungenauigkeiten bei hohen Temperaturen deuten sie auf ein suboptimales Design hin. Deutlich zu erkennen ist auch, dass die Ergebnisse für die Toleranzwerte der Worst-Case-Analyse ebenfalls nicht optimal verteilt sind.  

Dies zeigt: Mit einer relativ einfachen Simulationsschaltung lässt sich die Gesamtgenauigkeit der Temperaturmessschaltung entsprechend ihrer Bauteildimensionierung visualisieren. Damit liegt ein idealer Ausgangspunkt für weiterführende Experimente vor, der Zeit und Kosten reduziert.

Die hier verwendeten Simulationsdateien können über <link edesign.ntc@vishay.com - mail "open internal link">edesign.ntc@vishay.com</link> angefordert werden.