Wasserbasierte Elektrolytkondensatoren: Von der Plage zum unverzichtbaren Bauteil

06.06.2019 Know-How

Wasserbasierte Elektrolytkondensatoren haben seit der berühmten „Elko-Plage“ ein schlechtes Image. Zu unrecht, denn sie erfüllen heute wichtige Anforderungen in der modernen Elektronik – und es bieten sich neue Alternativen in Form von Polymer Hybrid-Typen.

In den frühen 2000er-Jahren wurden gehäuft wasserbasierte Elektrolytkondensatoren mit der falschen Mischung an Inhibitoren oder Passivatoren gefertigt. Das Ergebnis waren Elkos mit geöffnetem Ventil, herausgedrücktem Gummistopfen oder durch Explosion völlig zerstörte Bauteile - die so genannte "Elko-Plage". Diese Probleme bestehen heute nicht mehr. Um die Vorteile dieser Kondensatoren und ihren Nutzen für die moderne Elektronik zu verstehen, bedarf es eines grundlegenden Verständnisses für die Bauteile.

Wie funktioniert ein Elko?

Im Vergleich zu anderen Kondensator-Technologien bietet der Aluminium-Elektrolytkondensator einen großen Vorteil: eine hohe Kapazität auf geringstem Bauraum bei attraktivem Preis/Leistungs-Verhältnis. Zudem ist er unempfindlich gegenüber Überspannung, was im Datenblatt durch die Surge-Spannung ausgewiesen wird. Nachteilig sind seine grundsätzlich höhere Impedanz, die Austrocknung im Laufe der Zeit, ein starker Impedanzanstieg bei niedrigen Temperaturen und die Abhängigkeit von der Betriebstemperatur. Diese wird bestimmt durch die vorgegebenen Bauteilparameter die wiederum aus dem verwendeten Elektrolyt definiert werden.

Ein Elektrolytkondensator mit einem flüssigen Elektrolyt (engl. e-cap) besteht im Wesentlichen aus zwei Streifen Aluminiumfolie, die ein Separator-Papier trennt. Die Anoden-Folie wird elektrochemisch angeraut, um die Oberfläche zu vergrößern. Durch das Anlegen von Spannung (Forming) entsteht an der Oberfläche eine dünne Schicht an Aluminiumoxid, die als Dielektrikum fungiert. Der flüssige oder feste Elektrolyt bildet die Kathode, die über die zweite Aluminiumfolie nach außen hin kontaktiert wird. Beide Aluminiumfolien werden an der vorgesehenen Stelle mit Kontakten versehen (Stitching) und anschließend mit dem Separatorpapier zusammengewickelt sowie zur Imprägnierung in einen flüssigen Elektrolyt getränkt. Schließlich verschließt ein Gummistopfen den Kondensatorbecher mit dem getränkten Wickel. Schon beim Aufbau des Kondensators bestimmen im Wesentlichen das Stitching, der verwendete Elektrolyt und das Separatorpapier den späteren ESR (Equivalent Series Resistance = Ersatzserienwiderstand).

Elektrolyte im Vergleich

In Elektrolytkondensatoren kommen heute verschiedene flüssige Elektrolyte zum Einsatz. Ethylenglykol (EG) oder Borsäure beinhaltende Elektrolyte finden vorwiegend in Mittel- bis Hochvolt-Elkos bei Temperaturen bis 85°C Anwendung. Hier liegt der Wasseranteil im Elektrolyt bei ca. 5-20%, mit Inhibitoren (chemischen Hemmstoffen) wird die Aggressivität des Wassers gegenüber der Aluminiumoxidschicht unterbunden.

Organische Elektrolyte wie Dimethylformamide (DMF), γ-Butyrolactone (GBL) und Dimethylacetamide (DMA) ermöglichen einen großen Temperaturbereich von -55 bis 150°C. Sie weisen stabile Parameter wie geringe Leakage-Ströme und gute Langzeiteigenschaften auf und ermöglichen dadurch lange Betriebszeiten. Ihr Wassergehalt ist extrem gering.

Der Wassergehalt wasserhaltiger Elektrolyte kann bis zu 70% betragen. Diese hohe Konzentration bietet Vorteile: Wasser mit einer Permittivität (dielektrische Leitfähigkeit) von ε = 81 besitzt die exzellente Eigenschaft, extrem viele Salz-Ionen in sich zu binden. Dies führt zu einer hervorragenden Leitfähigkeit, was sich in einem äußerst niedrigen ESR bemerkbar macht. Im Umkehrschluss dazu lassen sich auch deutlich höhere Rippleströme realisieren als mit herkömmlichen, fast wasserfreien Elektrolyten. Zudem fallen durch den hohen Wasseranteil die Materialkosten der Elektrolytfüllung deutlich geringer aus.

Einen gravierenden Nachteil besitzen sie jedoch auch, denn Wasser reagiert durch Hydration bei direktem Kontakt mit Aluminium. Allerdings schützt die stabile Aluminiumoxidschicht das Aluminium. Um auch bei einer beschädigten Schicht, z.B. durch die Produktion oder längere Lagerung, die Hydration, bzw. Korrosion, zu unterbinden, werden dem Elektrolyt Inhibitoren oder Passivatoren hinzugefügt. Erfolgt dieser Schritt nicht, kann sich beim Kontakt von Wasser und Aluminium viel Wärme und Gas (Wasserstoff) bilden. Die Kondensatoren werden erheblich beschädigt und können im Extremfall sogar explodieren.

Noch heute findet sich in Bauteilvorgaben der Hinweis, wasserbasierte Elektrolytkondensatoren auf keinen Fall zu verwenden. Diese Angabe ist jedoch nicht spezifiziert, z.B. durch den maximal zulässigen Wasseranteil. Zudem besteht der negative Effekt durch die Zugabe von Additiven nicht mehr, so dass sich die Kondensatoren auch für Applikationen mit langer Lebensdauer oder hoher Belastung bestens eignen. Insbesondere unter den heute bekannten Low-ESR-Typen mit hoher Ripplestrom-Belastbarkeit und einer Lebensdauer von mindestens 10.000h bei 105°C finden sich häufig die Elektrolyte mit einem höheren Wasseranteil.

Sonderform Hybrid-Typ mit Polymer

Ist nicht die reine Kapazität, sondern ein sehr niedriger ESR oberstes Ziel, lässt sich ein flüssiger Elektrolyt teilweise oder auch vollständig durch einen leitfähigen Polymer ersetzen. Diese Hybrid-Typen sind vollständig AECQ200-zertifiziert. Sie verbinden das flüssige, wasserfreie Elektrolyt mit der hohen Leitfähigkeit eines festen Polymers. Hierfür wird das flüssige Elektrolyt teilweise auch auf Polymerbasis hergestellt. Die Aluminiumoxid-Schicht und die gegenüberliegende Kathodenfolie werden mit einem leitfähigen Polymer überzogen, das später in festem Zustand im Kondensator vorliegt. Die hohe Leitfähigkeit des Polymers verbessert den Übergangswiderstand von Aluminiumoxid zu flüssigem Elektrolyt und zur Kathodenfolie deutlich.

Das Ergebnis: ein sehr niedriger ESR und die Möglichkeit hoher Rippleströme. Durch den verbesserten ESR verringert sich die Eigenerwärmung im Betrieb, durch das feste Polymer sinkt der Anteil flüssiger Bestandteile, die austrocknen können. Deshalb weisen Hybrid-Elektrolytkondensatoren eine deutlich höhere Grundlebensdauer als die wasserbasierten Low-ESR-Standardvarianten auf. Für eine Abschätzung der Lebensdauer bei verschiedenen Temperaturen, gilt wie beim Standard-Typ als grober Richtwert die Arrhenius-Formel (-10°C Temperatur = doppelte Lebensdauer).

Wichtig insbesondere bei der Auslegung von Hybrid-Kondensatoren in der Schaltung ist deren Verhalten hinsichtlich Lebensdauer, Frequenz und Temperaturverlauf, das sich durch die neuen Elektrolyte komplett vom bisherigen unterscheidet. Während der ESR bei einem Elko im negativen Temperaturbereich und während seiner Lebensdauer steigt, verhält er sich bei Hybrid-Typen absolut stabil. Auch die starke Abhängigkeit der Kapazität von der Frequenz ist bei Hybrid-Kondensatoren so nicht gegeben, hier gibt es bis 100kHz kaum eine Veränderung. Ein Elko hingegen bricht schon bei 20kHz um gute 40% ein.

Dadurch lässt sich bei der Auslegung einer Schaltung mit Hybrid-Kondensatoren die Gesamtkapazität nominal deutlich reduzieren und ihre Effizienz trotzdem verbessern. Auch eine Miniaturisierung ist möglich, da die Hybridtechnologie höhere Rippleströme auf kleinerer Bauform ermöglicht.

Solid-Polymer mit noch besseren Eigenschaften

Wer komplett auf einen flüssigen Anteil verzichten möchte, kann zu Solid-Polymer-Elektrolytkondensatoren greifen. Hier wird die flüssige Komponente durch einen festen, leitfähigen Polymer ersetzt. Das führt zu einem noch besseren ESR sowie Ripplestrom und bietet keine Möglichkeit für eine Austrocknung. Die Lebensdauer lässt sich grob mit -20°C Temperatur = 10-fache Lebensdauer angeben.

Die Nachteile liegen im Preis, einem wesentlich höheren Leckstrom und in der Feuchteempfindlichkeit. Da das feste Polymer Feuchtigkeit anzieht, werden die Bauteile im Dry-Pack geliefert und unterliegen, sobald geöffnet, strengen Anforderungen bei der Verarbeitung. So sind diese Typen auch nur in Ausnahmefällen mit AECQ200-Zertifizierung erhältlich. Zudem ist bei dieser Technologie immer die Entscheidung zwischen Spannung und Kapazität bei gegebener Bauform zu treffen. Eine gute Mischung, wie sie im Elkobereich oder beim Hybrid-Typ möglich ist, lässt sich hier aufgrund des festen Elektrolyten nicht im selben Maße erreichen.

Hinzu kommt, dass der Reststrom bei den Solid-Typen stärker ausgeprägt ist als bei den Hybrid-Typen, da hier freier Sauerstoff zur Selbstheilung der fertigungsbedingten Fehlstellen im Dielektrikum fehlt. Der flüssige Elektrolyt des Hybrid-Typen enthält Sauerstoff, was die Selbstheilung ermöglicht und den Reststrom auf dem Niveau von Standard-Elektrolytkondensatoren hält. Zudem gelangt der feste Elektrolyt nicht vollständig in jede Pore der aufgerauten Aluminiumfolie. Das wirkt sich negativ auf die erreichbare Kapazität aus und erhöht zugleich den Leckstrom. Hinsichtlich der Stabilität von Frequenz, Temperatur und Lebensdauer stehen Solid-Polymer-Elkos auf einer Stufe mit Hybrid-Kondensatoren.

Fazit

Bei stetig steigenden Anforderungen an ESR, Bauform, Langzeitstabilität und Bauteilpreis, sind wasserbasierte Elektrolytkondensatoren nicht mehr wegzudenken. Wer der Technologie nichts abgewinnen kann, für den bieten Polymer-Typen eine Alternative. Speziell die Hybrid-Varianten stellen einen guten Kompromiss zwischen Performance und Preis dar und erfahren eine ständige Weiterentwicklung durch die Hersteller. Bezogen auf Miniaturisierung und Effizienz bieten sie neue Möglichkeiten, die Schaltung auszulegen.

Komponenten gibt es auf <link www.rutronik24.de _blank external-link-new-window "open internal link">www.rutronik24.de</link>.

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