Jedes Predictive-Maintenance-Projekt beginnt mit dem Erfassen von Maschineneigenschaften während des Normalbetriebs der Maschine, beispielsweise akustische oder Eigenfrequenzen von Körper- und Luftschall, die dann digitalisiert und an einen Rechner oder in die Cloud übermittelt werden. Im Falle von lokaler Datenverarbeitung spricht man von Edge-Computing. Hier können lokale KI-Lösungen, beispielsweise Intel Movidius, zum Einsatz kommen. Im Falle von Cloud-Computing steht ein unbegrenztes Angebot von 3rd Party Dienstleistern zur Datenanalyse zur Verfügung. Bei der Edge Umsetzung kann im Millisekundenbereich reagiert werden. Eine Internetanbindung ist für Firmwareupdates und Fernmonitoring dennoch unabdingbar. Prinzipiell nutzt man aber bei Lern- und Verbesserungsprozessen keine Schwarmintelligenz und ist auf lokale Rechenleistung und die eigene Erfahrungshistorie beschränkt. Cloudcomputing ermöglicht hingegen den Vergleich mit allen im Feld betriebenen Anlagen und kann Rückschlüsse von Veränderungen einzelner Anlagen auf die anderen Anlagen ziehen. Neben dieser Schwarmintelligenz ist man zudem nicht hinsichtlich Rechenleistung oder Speicherkapazität beschränkt und kann flexibel den angewendeten Logarithmus wechseln - beispielsweise von statischer Datenanalyse auf maschinelles Lernen oder Deep-Learning.
So unterschiedlich beide Umsetzungen auch erscheinen, eine Internetanbindung und eine lokale erste Analyse der Sensordaten sind in der praktischen Realisierung immer notwendig. Sowohl die Dimensionierung der wertigen Bauelemente als auch die laufenden Unterhaltskosten fallen jedoch entsprechend unterschiedlich aus, was eine genaue Kosten-/Nutzenbetrachtung aufwändiger macht.
Platzierung des Sensors ist entscheidendes Kriterium
Egal ob lokal oder in der Cloud analysiert wird, gilt es zu klären, an welcher Stelle genau ein Schaden entstehen kann und wo sich dieser am besten detektieren lässt. Doch kann der Sensor hier auch angebracht werden? Ist die Stelle zugänglich und steht ausreichend Platz zur Verfügung? Gibt es viele oder laute Umgebungsgeräusche? Sind diese eher konstant oder treten sie nur unregelmäßig auf?
Ist der optimale Ort zur Anbringung geklärt, ergibt sich daraus oft bereits der Sensortyp: Spricht alles für eine Anbringung am Gerät oder der Maschine, geht es um die Erfassung von Körperschall. Damit ist ein Schock- und Vibrationssensor oder ein Beschleunigungssensor das Mittel der Wahl. Bei einer Platzierung außerhalb wird der Luftschall detektiert. Hierfür stehen MEMS-Mikrofonsensoren mit einem bestimmten Frequenzbereich zur Verfügung, beispielsweise von STMicroelectronics und Infineon. Da sie immer eine Öffnung haben, um die Schallwellen aufnehmen sowie den Schalldruck abbauen zu können, scheiden diese ohne spezielle Maßnahmen in feuchten oder staubigen Umgebungen eventuell aus. Dann kann auf Schock- und Vibrationssensoren oder Beschleunigungssensoren zurückgegriffen werden.
Bei der Frage, welchen Frequenzbereich ein Predictive Maintenance System abdecken sollte, gilt die Faustregel: Je höher die erfasste Frequenz, desto früher kann ein Schaden registriert werden. Im Ultraschall-Bereich ab 16kHz lassen sich erste Anzeichen bereits Monate, bevor der Schaden tatsächlich auftreten würde, erfassen. Bei einer Detektion im hörbaren Bereich bis zu 16kHz sind es eventuell nur noch wenige Wochen bis zum Schadensfall. Das kann bei manchen Maschinen oder Geräten ausreichend sein, bei anderen jedoch schon zu spät - das ist im Einzelfall zu prüfen: Wie gravierend kann der mögliche Schaden ausfallen? Wie lange dauert es, bis ggf. Ersatzteile beschafft und ein Servicetechniker verfügbar ist? Ist eine Unterbrechung der Maschine für die Reparatur- oder Wartungsarbeiten jederzeit möglich? Für eine Leckprüfung bei Gasleitungen ist eine Erfassung im Ultraschall-Bereich unbedingt anzuraten. Erzeugt ein Leck hörbare Geräusche, ist es für eine vorausschauende Wartung bereits zu spät.
Genügt eine Detektion im hörbaren Bereich, entscheidet die Art der Maschine bzw. des Maschinenteils, welchen Frequenzbereich der Sensor abdecken sollte. Je schneller die relevanten Teile rotieren, desto höhere Frequenzen sind zu erfassen. Beispielsweise entstehen bei Luftführungssystemen Schäden in der Regel durch eine Unwucht, inkorrekte Justierung oder lockere Verbindungen. Dies spielt sich im Bereich von etwa 2kHz ab. Bei sich sehr langsam bewegenden Teilen kann anstelle eines Mikrofonsensors ein Beschleunigungssensor bessere Ergebnisse liefern.
Um die Trefferquote bei der Fehlerfindung zu erhöhen, lassen sich Mikrofon-, Beschleunigungs- sowie Schock- und Vibrations-Sensoren kombinieren. Noch mehr Aufschlüsse gewähren weitere Sensortypen, z.B. für Temperatur, Feuchtigkeit oder Druck. Den höchsten Nutzen bietet eine solche Kombination, wenn die Sensoren untereinander vernetzt sind. Das erhöht jedoch nicht nur die Kosten für die Sensoren und die Verbindung, sondern sorgt auch für mehr Daten und einen höheren Auswertungsaufwand. Damit lohnt sich die Kombination mehrerer Sensoren nur, wenn dem ein entsprechender potentieller Schaden entgegensteht, etwa durch Bandstillstand oder Fehlproduktionen, die evtl. sogar längere Zeit unbemerkt bleiben können. Auch bei Anlagen in entlegenen Gebieten, z.B. Offshore-Windparks, kann das sinnvoll sein, da unnötige Einsätze von Technikern hier hohe Kosten verursachen. Besonders anzuraten ist eine umfassende Detektion bei sicherheitskritischen Systemen, beispielsweise dem Bremssystem im Auto.
Neue Wireless-Technologien für die Datenübermittlung
Je nach Anwendungsfall müssen einzelne Sensoren ihre Messdaten zunächst an einen lokalen Datensammler übertragen. Dazu bieten sich Mikrocontroller mit integrierten Funkschnittstellen und integriertem AD-Wandler an, sogenannte Wireless-SoCs. Oftmals werden Funkstacks bereits auf den Mikrocontroller zugeschnitten kostenlos mitgeliefert, so dass nur noch die Anwendung, also die Digitalisierung der Analogwerte und die Übertragung zum Datensammler, mit wenigen Programmzeilen umzusetzen ist. Der Datensammler kann nun die Daten lokal auswerten und seine Gatewayfunktion nur hinsichtlich Softwareupdates oder gelegentliches Reporting nutzen. In dem Fall wäre LTE eine mehr als ausreichend schnelle Internetverbindung, die auch über viele kommende Jahre hinweg eine gesicherte Infrastruktur aufweisen wird. Bei einer zeitkritischen Analyse der Daten in der Cloud, wo innerhalb weniger Millisekunden eine Rückmeldung nötig ist, wird sich 5G behaupten. Die Anbindung der Sensoren zum Datensammler lassen sich nicht immer verkabelt realisieren. Funktechnik ist hier meist günstiger, flexibler und langlebiger. Mit einem nRF52840 von Nordic Semiconductor kann man bequem zwischen Bluetooth Mesh, ZigBee oder Gazell, einem kostenlosen Open-Source Stack für Sterntopologien, auswählen. NFC ermöglicht eine unkomplizierte Anbindung der Sensoren an den jeweiligen Datensammler. Über die integrierte USB-Schnittstelle lassen sich Sensoren erstmalig mit einem Laptop kalibrieren. Wer von vornerein bereits weiß, dass er nur Bluetooth 5 oder Bluetooth Mesh nutzen wird, kann auch auf günstigere Varianten, wie dem nRF52810 ausweichen. Die neueste Version Bluetooth 5 ermöglicht im Long-Range-Modus eine Reichweite von bis zu über einem Kilometer. Das macht die Technologie auch dort interessant, wo SubGHz-Technik bislang unverzichtbar war.
Bei Sensoren, die keinen Datensammler nutzen, oder Datensammlern, die aufgrund starker Datenverdichtung durch Edge-Computing nur geringe Datenmengen in das Internet übertragen müssen, eignen sich die neuen LTE-Kategorien. Diese ermöglichen es, eine direkte Internetverbindung vom Sensor in die Cloud herzustellen und ohne separates Gateway die gemessenen Werte in die Cloud zu übertragen.
Die neuen LTE-Kategorien
Die jüngsten LTE-Kategorien NB1 und M1 - auch als NB-IoT und LTE M1, bzw. LTE-M bekannt - sind für Anwendungen wie Predictive Maintenance, bei denen vereinzelt geringe Datenmengen zu übertragen sind, ideal. Weitere Infos zu dieser Technologie finden Sie im Beitrag [xxxx] in dieser Ausgabe.
Sowohl LTE-M als auch NB-IoT unterstützt die nRF91-Familie von Nordic Semiconductor. Das hochintegrierte SiP (System in Package) kommt mit einem ARM-Cortex-M33-Mikrocontroller zur kundenspezifischen Programmierung der Anwendung, Sensoren und Aktoren. Er ermöglicht mit seiner Rechenleistung bereits die Anwendung aufwändigerer Algorithmen zur Datenanalyse. Das heißt: Das Wireless-Modul generiert aus den Messdaten der Sensoren bereits vor Ort Informationen, so dass nur noch eine deutlich geringere Datenmenge zu versenden ist. Dies optimiert die Gesamtenergiebilanz und hält den Online-Datenverbrauch gering. Über 32 GPIOs lassen sich neben den Sensoren auch LEDs anschließen, etwa als Warnhinweis vor Ort, wenn ein Sensor einen zu hohen Wert ermittelt. Auch ist es möglich, Tasten oder Schaltrelais zu verbinden. So kann beispielsweise der Sensorpunkt bei Bedarf ganze Anlagen bei Bedarf abschalten oder der Anwender Maschinenzustände quittieren.
Das nRF91 SiP ist weiterhin mit integriertem Assisted-GPS erhältlich. Dies ermöglicht dank NB-IoT- bzw. LTE-M-Nutzung eine schnelle Positionsbestimmung beim Kaltstart für die Überwachung von Fahrzeugen oder anderen mobilen Geräten.
Schutz vor Datenklau
Da die Messwerte der Sensoren zahlreiche Aufschlüsse zur Nutzung der betreffenden Maschinen, Anlagen und Geräte geben können, sollten sie vor unbefugten Zugriffen geschützt werden. Auch hierfür enthält der nRF91 bereits eine Lösung: Der Host-Prozessor mit TrustZone nutzt in der CPU und im System eine vertrauenswürdige Ausführungsumgebung und trägt so zur Sicherheit von Applikationsdaten, Firmware und angeschlossener Peripherie bei. ARM CryptoCell gewährleistet sichere Speicherzugriffe, während TLS und SSL die Ende-zu-Ende-Verschlüsselung der Datenübertragung sicherstellen. Der nRF91 eignet sich zudem perfekt im Zusammenspiel mit einem nRF52, wie es auch auf dem nRF91-Entwicklungskit umgesetzt ist. Somit stehen sowohl Kurzstreckenfunk zur Sensoranbindung als auch Mobilfunk zur Internetanbindung mit dieser Multicore-Zweichiplösung bereit. Wählt man aus der nRF52-Familie den nRF52840, verfügt auch dieser über ARM TrustZone und CryptoCell Technologien.
Erfolgsfaktor Datenanalyse
Nachdem die Daten vom Sensor übermittelt wurden, folgt die kniffeligste Aufgabe: die Datenanalyse. Was bedeutet es, wenn sich die Frequenz eines Wälzlagers geändert hat? Droht es kaputt zu gehen, wurde lediglich die Produktion umgestellt oder die Maschine fürs Wochenende heruntergefahren? Oder ist ein Störfaktor für die Änderung verantwortlich? Welche Abweichungen gehören noch zu den normalen Schwankungen? Und schließlich: Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass ein Schaden eintritt, d.h. ab wann ist ein Eingreifen erforderlich?
Daraus entstehen spezifische Profile, die in der Software durch entsprechende Parameter und Schwellwerte hinterlegt sind. Möglicherweise sind nach dem ersten Praxistest Nachjustierungen nötig. Bei Umstellungen der Produktion, Änderungen im Maschinenpark oder ähnlichem ist das Predictive-Maintenance-System ebenfalls anzupassen. Wer all diese Punkte berücksichtigt, hat es geschafft: Nie wieder unerwartete Maschinenschäden, Ausfälle oder Bandstillstand durch unentdeckt alternde Anlagen. Der Aufwand für Wartungsarbeiten lässt sich besser vorausplanen und es können automatisch nur noch die tatsächlich benötigten Ersatzteile vorgehalten werden. Davon profitieren nicht nur Anwender, sondern auch Maschinenbauer. Integrieren sie ein Predictive-Maintenance-System in ihre Produkte, bieten sie Kunden einen echten Mehrwert durch höhere Maschinenverfügbarkeit. Zudem können sie die Auswertungen der Felderfahrungen für ihre weitere Produktentwicklung nutzen.
Was ist Predictive Maintenance?
Die vorausschauende Instandhaltung (Predictive Maintenance) basiert im Gegensatz zur präventiven Instandhaltung (Preventive Maintenance) nicht auf festen Wartungszyklen, sondern auf bedarfsorientierter Wartung aufgrund von fortlaufend vor Ort erhobenen Messdaten und deren Auswertung. Sie registriert Vibrationen oder veränderte Geräusche von Maschinen, Anlagen und Geräten, die bereits lange vor einem eigentlichen Schaden auf Probleme im Betrieb hindeuten.
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