Automotive-Motor-System-IC - Neuer Antrieb für die Helferlein im Auto

14.07.2021 Know-How

Motorische Helferlein, wohin man schaut: Fensterheber und Schiebedach, Sitzverstellung, Heckklappe, Kurvenlicht sowie verschiedene Klappen und Lamellen, Pumpen und Lüfter. Das breite Einsatzfeld zeigt sich auch im Leistungsspektrum der elektrischen Hilfsantriebe. Skalierbarkeit und Flexibilität der Antriebslösung sind also gefragt.

Alles wird mit Hilfsmotoren betrieben, aus Effizienzgründen auch unabhängig vom Primärantrieb. Die Anforderungen reichen von wenigen Watt bis zur Leistungsgrenze der Bordbatterie. Klein und kostengünstig sollen die Antriebe auch sein. Einige Bausteine für Motorsteuerungen zeigt Bild 1. Marktführer in Sachen Integrationsgrad ist Micronas' HVC4223F. Am unteren Ende der Integrationsskala steht der diskrete Aufbau mit Einzel-ICs wie Spannungsregler, Mikrocontroller, Bus-Transceiver etc.

Im Mittelfeld vereinen Infineons neue Motor-System-ICs TLE956x die Funktionen der Mid-Range-System-Basis-Chips (SBC) der Baureihen TLE94xx (Lite SBC) und TLE926x (Mid Range + SBC) mit zwei zusätzlichen Funktionen: einem Operationsverstärker zur Strommessung über Shuntwiderstände und Gate-Treiber zur Ansteuerung von N-Kanal-MOSFETs. Dazu kommen Ausgänge zur Ansteuerung der Verpolschutz-MOSFETs und bis zu vier High-Side Switches für beliebige Zwecke.

Die Motor-System-ICs gibt es in zwei Varianten: für die Ansteuerung von DC-Motoren mit bis zu vier Halbbrücken-Treibern und für den Betrieb mit BLDC-Motoren mit Treibern für eine 6-Puls-Brücke.

Mikrocontroller und MOSFETs müssen extern an die TLE956x-Motor-System-ICs angeschlossen werden, siehe Blockschaltbild (Bild 2). Je nach Derivat der TLE956x-Familie bietet der CAN-FD-Transceiver Partial Networking per Wake-up Pattern (WUP) oder Wake-up Frame (WUF).

Steuergerät mit Autosar realisieren

Gegenüber den Derivaten der Embedded-Power-IC-Familie TLE985x/6x/7x bieten die Motor-System-ICs Flexibilität in der CPU-Architektur sowie eine höhere Skalierbarkeit in der Rechenleistung, dem Speicherausbau und der Busanbindung (CAN-FD). Anwender können also ihren bevorzugten Mikrocontroller beibehalten und sparen dadurch Aufwand und Kosten für das Einlernen in eine andere Architektur und die Investition in neue Entwicklungswerkzeuge. Mit dem Mehr an Memory eines externen Mikrocontrollers und dem TLE956x kann so ein Steuergerät mit einem speicherhungrigen Betriebssystem wie Autosar verwirklicht werden.

Bitte nicht stören

Das Schalten der Ausgangstransistoren in der Endstufe hat allerdings zwei unerwünschte Effekte: Zum einen entstehen bei jedem Umschalten Schaltverluste, da die Schaltflanken endlich steil sind. Diese Verluste erwärmen das System. Andererseits gibt es mehr elektromagnetische Störsignale, je steiler die Schaltflanken sind. Der leitungsgebundene Anteil der Störungen kann mit einem EMI-Filter in der Versorgungsleitung gemindert werden. Die Bauteile des Filters schlagen aber als zusätzliche Kosten zu Buche.

Das Ziel besteht deshalb darin, die Flankensteilheit so einzustellen, dass die Schaltung gerade noch durch den EMV-Test kommt. Ein Widerstands-/Diodennetzwerk in der Gate-Leitung begrenzt dazu häufig den Steuerstrom. Im Zusammenspiel mit der Gate-Kapazität des MOSFET entsteht so ein RC-Glied, dessen Zeitkonstante die Spannungssteilheit begrenzt. Damit ergeben sich für die Widerstände und die Diode jedoch auch hier zusätzliche Kosten. Beim Umstieg auf einen anderen MOSFET mit abweichender Gate-Kapazität muss auch das Widerstandsnetzwerk angepasst werden.

Adaptive MOSFET Gate Control

Im TLE956x wird das Thema noch eleganter gelöst: Hier führt eine digitale Regelschleife die Ist-Steilheit der Schaltflanken dem voreingestellten Sollwert nach. Stellgröße ist der Strom aus den Gate-Treibern. Durch dieses ◊Adaptive Gate Control" genannte Konzept entfällt das Widerstands-/Dioden-Netzwerk in den Gate-Leitungen - und damit auch dieser Kostenfaktor. Dadurch ist auch der Umstieg auf MOSFETs mit anderen Gate-Kapazitäten unkritisch. Die Regelung passt die Gate-Ströme automatisch so an, dass sich die konfigurierte Flankensteilheit ergibt.

Schaltverluste weiter reduzieren mit Active Free Wheeling

Beim Betrieb von DC-Motoren in H-Brücken wird häufig ein High-Side-MOSFET statisch eingeschaltet und der diagonal liegende Low-Side-MOSFET mit einer PWM getaktet. Schaltet dieser aktive MOSFET im PWM-Zyklus aus, dann kommutiert der Motorstrom in die Body-Diode des MOSFET im gleichen Zweig oben.

Beim Active Free Wheeling wird die Halbbrücke des aktiven MOSFET im Gegentakt betrieben. Durch das Ansteuern des MOSFET kommutiert der Freilaufstrom nicht durch seine Body-Diode, sondern durch seinen Kanal. Bei kleinem RDS,on fallen dort weniger Verluste an als in der Bodydiode.

Bremst auch im Schlaf

Elektromotoren, insbesondere solche mit Permanentmagneten, können auch generatorisch wirken, z.B. wenn jemand die motorisierte Heckklappe mit Muskelkraft öffnet oder schließt. Durch den Verpolschutz (Diode oder nicht angesteuerter MOSFET) des Steuergerätes kann die erzeugte Energie nicht in die Fahrzeugbatterie geleitet werden. Stattdessen steigt die Spannung im Zwischenkreis über dem Siebkondensator parallel zu den MOSFETs an. Im ungünstigen Fall führt die generatorisch erzeugte Energie zu einem Defekt durch Überspannung.

Motor-System-ICs vom Typ TLE956x lösen dies durch Kurzschluss-Bremsen. Dabei werden alle MOSFETs der Low Side gleichzeitig eingeschaltet. Das schließt den Anker/Rotor kurz, sodass

  • die generierte Energie in den Wirkwiderständen des Kurzschlusskreises als Wärme dissipiert und
  • ein mechanisches Gegenmoment entsteht (bremsen).

Die Bremsfunktion arbeitet auch mit dem TLE956x im Sleep Mode. Das hält den Stromverbrauch klein. Und es gibt zwei Varianten: Bremsmoment je nach Höhe der Zwischenkreisspannung und permanentes Bremsen unabhängig von der Zwischenkreisspannung.

Jetzt starten

Jetzt ist die richtige Zeit, um eine Entwicklung mit der Bauteilfamilie TLE956x zu starten. Sie ist technisch auf der Höhe der Zeit, kommerziell wettbewerbsfähig und befindet sich am Anfang ihres Lebenszyklus. Diese Konstellation verspricht ein Endprodukt mit exzellentem Preis-Leistungs-Verhältnis, das lange verfügbar ist - etwa eine Sitzverstellung, ein Schiebedach, Gurtstraffer, Parkbremse, Fensterheber oder eine motorisierte Heckklappe ebenso wie BLDC-Applikationen wie Pumpen, Lüfter, Schiebedach.

Mit Arduino-kompatiblen Evalboards für TLE956x gelingt der Einstieg in die Entwicklung (Bilder 3 und 4). Passende Ansteuer-Boards mit Automotive-Mikrocontrollern von Infineon sind z.B. das Aurix TC275 Shield Buddy mit der Rutronik-Bestellnummer TOOL4294 und das Aurix TC375 Shield Buddy mit der Bestellnummer TOOL4354.

 

Komponenten gibt es auf www.rutronik24.de.

Bleiben Sie auf dem Laufenden, indem Sie unseren Newsletter abonnieren.